Aufbauhilfe für Afghanistan

Eine Spezialeinheit der Bundeswehr leistet zivile Aufbauhilfe. Sie sucht den Kontakt zur Bevölkerung.

Kunduz. Wenn Helge Rücker ein Dorf irgendwo im Norden Afghanistans besucht und das Büro eines Bürgermeisters betritt, dann erinnert auf den ersten Blick nur seine Camouflage-Uniform an einen Soldaten. Die Schutzweste hat er ebenso abgelegt wie sein Gewehr. Seine verschlammten Stiefel stehen vor dem Eingang, während er mit dem Bürgermeister Tee trinkt.

Rücker leitet im Wiederaufbauteam der Bundeswehr in Kunduz die Cimic-Einheit. Cimic steht für "Civil Military Cooperation" und ist so etwas wie eine Aufbauhilfe. Die 20 Mann starke Truppe, die aus 16 deutschen und vier belgischen Soldaten besteht, soll das Ansehen der Streitkräfte steigern, die Bevölkerung unterstützen und so letztlich die Sicherheitslage für alle verbessern.

"Wir erzählen den Menschen in unverkrampfter Atmosphäre, was wir hier als Bundeswehr machen", sagt Rücker. Gleichzeitig erstellt Cimic für den deutschen Kommandeur in Kunduz ein Lagebild: Welche Bevölkerungsgruppen sind in der Ortschaft vertreten? Gibt es eine Gesundheitsversorgung? Wie ist die Sicherheitslage?

In Zwei-Mann-Teams suchen die Soldaten den Kontakt zur Bevölkerung, hören sich deren Sorgen und Nöte an und schauen, was am dringendsten gebraucht wird. "Wir nehmen auf, was an Bedarf da ist, erarbeiten ein Profil und geben das an den Verbindungsoffizier weiter", beschreibt Rücker seine Arbeit. "Wir versprechen aber nichts."

Das ist wichtig in einer Zeit, in der Umfragen zufolge jeder dritte Afghane mit der Arbeit der US-geführten Koalition und der Nato-geführten Internationalen Schutztruppe Isaf unzufrieden ist.

Seit 2002 haben deutsche Cimic-Soldaten weit mehr als 700 Projekte umgesetzt - wie den Bau und die Instandhaltung von Schulen, Kindergärten und Polizeistationen. Auch beim Brunnenbau, der Bewässerung oder der Bereitstellung von Medikamenten ist Cimic aktiv. Finanziert werden die Projekte durch verschiedene deutsche Ministerien, Sponsoren und Spender.

Entwicklungsarbeit leiste Cimic jedoch nicht, betont der Abteilungsleiter. Man komme anderen Organisationen nicht ins Gehege, stelle aber Kontakte her. "Wenn es sein muss, bringen wir schon mal einen Bautechniker mit, der sich zum Beispiel ein Schulgebäude anschaut", sagt Rücker.

Die Tatsache, dass sich die Sicherheitslage im Norden des Landes kontinuierlich verschlechtert und jederzeit mit Angriffen der radikal-islamischen Taliban gerechnet werden muss, kann das Cimic-Team nicht von seiner Arbeit abhalten. "Wir gehen in die No-Go-Gebiete, dorthin, wo die bösen Jungs sind und sich die Menschen nachts nicht auf die Straße trauen", sagt Rücker.

Bei der ersten Kontaktaufnahme wird der Sprachmittler vorgeschickt, um die Gesinnung zu prüfen. "Meist ist es so, dass der dann mit dem Bürgermeister vor das Dorf kommt." Eine sensible Herangehensweise sei wichtig.

Zwei Stunden ist das Zeitlimit, länger halten sich die Bundeswehrsoldaten aus Sicherheitsgründen nicht an einem Ort auf. "Wir sind relaxt, aber hochkonzentriert", beschreibt Rücker die Anspannung. Schnell merke man, ob ein Dorf von Taliban terrorisiert werde. "Wenn die Gespräche kürzer sind als üblich, ist klar, dass die Menschen unter Druck gesetzt werden. Dann gehen wir sofort raus."

Weil das Gelände unwegsam ist und selbst für kurze Distanzen Stunden benötigt werden, bleiben Cimic-Einheiten häufig bis zu 72 Stunden draußen. "Wenn wir nicht in einer Polizeistation übernachten können, bilden wir sogenannte Wagenburgen zu unserem Schutz", erklärt Rücker. Doch die Strapazen sind schnell vergessen, wenn die Bundeswehrsoldaten von der Bevölkerung hören: "Wir würden euch gerne häufiger sehen."

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