AOK-Chef: Wir haben zum Teil Mondpreise bei Arzneimitteln

Interview: Wilfried Jacobs, Chef der AOKRheinland/Hamburg, über die Zukunft des Gesundheitssystems.

Herr Jacobs, wie sieht die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr eins von Gesundheitsfonds und Wirtschaftskrise aus?

Jacobs: Etwas entspannter. Die Einführung des Gesundheitsfonds war mit Blick auf die Wirtschaftskrise ein Segen, auch wenn man es vorher nicht wissen konnte. Aber 2010 wird sich die Situation wegen der Krise verschärfen.

Jacobs. Die AOK Rheinland/Hamburg wird ohne Zusatzbeiträge in das neue Jahr gehen, und ich hoffe, dass es dabei bleibt. Ich kann aber keine Zusage machen. Aber ich gehe davon aus, dass auf breiter Front Zusatzbeiträge kommen, auch bei großen Kassen.

Jacobs: Das ist eine Momentaufnahme. Im zweiten Halbjahr werden die Kassen wieder deutlich höhere Ausgaben haben. Die Überschüsse werden Ende des Jahres abgeschmolzen sein.

Jacobs: Ich gehe davon aus, dass 2010 über die Höhe geredet werden muss.

Jacobs: Das sollte es nicht geben: Wer über Rationierung spricht und nicht daran arbeitet, unnötige Kosten des schnittstellenträchtigen Medizinbetriebes auszumerzen, handelt unehrlich. Es gibt deutliche Sparpotenziale, die nicht zu Lasten der Patienten gehen würden.

Jacobs: Wir haben zum Teil Mondpreise in Deutschland und versenken Milliarden ohne Nutzen. Die Kosten für Arzneimittel sind im internationalen Vergleich viel zu hoch, gerade bei den innovativen Medikamenten. Zugleich gibt es eine extrem hohe Zahl an Schein-Innovationen. Hier muss der Staat eingreifen. Er sollte sich zumindest die Preise im internationalen Vergleich anschauen. Noch besser wäre, wenn die Pharmafirmen nicht mehr allein den Preis festlegten, sondern die Kassen beteiligt würden.

Jacobs: Das war ein unverantwortlicher Theaterdonner, der nicht der tatsächlichen Lage entsprach. Insgesamt müssen wir aber zu einer neuen Vergütungsform kommen. Die Ärzte sollten nicht nur nach Menge bezahlt werden, sondern Geld bekommen, wenn sie sich Zeit für die Patienten nehmen, wenn sie qualitativ gut arbeiten.

Jacobs: Indem jeder Patient nach der Behandlung eine Art Quittung unterschreibt und damit bestätigt, welche Leistungen der Arzt erbracht hat.

Jacobs: Frau Schmidt hat Recht. Es ist unverantwortlich, wenn ein Kassenpatient bis zu drei Monate beispielsweise auf eine Darmspiegelung warten muss. Acht bis 14Tage sind akzeptabel, mehr nicht. Bei uns melden sich pro Monat rund 300 Versicherte, denen wir einen schnelleren Termin bei einem anderen Arzt besorgen.

Jacobs. Ja, und er sollte ausgebaut werden, indem wir in bestimmten Bereichen verstärkt Einzel- und Gruppenverträge mit Ärzten abschließen. In Aachen gibt es ein Modell der AOK: Dort öffnen Frauenärzte ein Mal im Monat samstags - und bekommen dafür mehr Honorar.

Jacobs: Es würde bedeuten: weiterer Ausbau des Services, Sicherung der Leistungsstärke und ökonomischere Nutzung der Ressourcen.

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