„Unbeschreibliche Schande" Unbekannte greifen Holocaust-Gedenken der israelischen Botschaft in Berlin an

Berlin · Bei einer Online-Gedenkveranstaltung für die Opfer des Holocaust zeigen Täter Hitler-Fotos und erzwingen den Abbruch der Veranstaltung.

 Der Holocaust-Überlebende Shalom Stamberg hält ein Buch in den Händen, in dem ein Foto von ihm abgedruckt ist, das ihn als ehemaligen Häftling im Konzentrationslager Auschwitz zeigt. Unbekannte Täter haben die Schilderungen des Holocaust-Überlebenden Zvi Herschel während einer Zoomkonferenz unterbrochen und so den Abbruch erzwungen.

Der Holocaust-Überlebende Shalom Stamberg hält ein Buch in den Händen, in dem ein Foto von ihm abgedruckt ist, das ihn als ehemaligen Häftling im Konzentrationslager Auschwitz zeigt. Unbekannte Täter haben die Schilderungen des Holocaust-Überlebenden Zvi Herschel während einer Zoomkonferenz unterbrochen und so den Abbruch erzwungen.

Foto: dpa/Ariel Schalit

Unbekannte Täter haben Online-Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Holocaust in Deutschland und Israel gestört. Eine Veranstaltung der israelischen Botschaft in Berlin wurde am Montagabend wegen des Zeigens von Hitler-Bildern unterbrochen; in Israel erfolgte dies nach dem Auftauchen von kinderpornografischen Aufnahmen. Beide Vorfälle ereigneten sich auf der Plattform Zoom, die seit längerem wegen unzureichender Datenschutzstandards in der Kritik steht.

Der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff teilte am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter mit, die Angreifer hätten sich in eine Zoom-Videokonferenz der Botschaft eingeschaltet, Hitler-Fotos gepostet und antisemitische Parolen verbreitet. Damit unterbrachen sie die Schilderungen des Holocaust-Überlebenden Zvi Herschel.

Später sei die Veranstaltung zum israelischen Gedenktag Yom HaShoah, der mit dem Sonnenuntergang am Montag begonnen hatte, ohne die "Anti-Israel-Aktivisten" fortgesetzt worden, schrieb Issacharoff bei Twitter. Israel gedenkt in diesen Tagen der sechs Millionen Juden, die von den Nazis ermordet wurden. Wegen der Coronavirus-Pandemie finden viele Veranstaltungen nur online statt.

Herschel selbst sagte der Nachrichtenagentur AFP, neben Hitler- und Hakenkreuz-Bildern seien auch Pornos zu sehen gewesen, zudem seien "Palästina, Palästina"-Rufe ertönt. Trotz allem sei er "sehr ruhig" geblieben.

"Auf eine Art ist das ein Beispiel, das ich benutzen kann", sagte Herschel, der weltweit vor jungen Menschen Vorträge über den Holocaust hält. Es zeige, wie feige diese Leute seien. "Aber es ist bloßer Antisemitismus, und der heutige Antisemitismus ist sehr, sehr stark."

Herschel wurde 1942 in den von Deutschland besetzten Niederlanden geboren. Seine jüdischen Eltern hatten ihn bei nicht-jüdischen Freunden untergebracht; sie selbst starben in dem deutschen Vernichtungslager Sobibor in Polen. Nach dem Krieg wurde Herschel von seiner Großmutter aufgezogen - der einzigen Verwandten, die den Holocaust überlebt hatte. Er selbst zog später mit Frau und Kindern nach Israel.

Außenminister Heiko Maas (SPD) verurteilte den Angriff der antisemitischen Täter auf die Online-Veranstaltung "als eine unbeschreibliche Schande". Dies sei eine "bodenlose Respektlosigkeit gegenüber den Überlebenden und dem Gedenken an die Verstorbenen", erklärte er über Twitter.

In Israel wurde auf ähnliche Weise eine Rede der Holocaust-Überlebenden Myriam Gross unterbrochen. Während der Schilderungen der 91-Jährigen seien auf einmal kinderpornografische Gewaltdarstellungen erschienen, sagte einer der Organisatoren, Gabriel Abensur, der Nachrichtenagentur AFP. Er habe die Übertragung dann unterbrochen und Gross angerufen, die allein in Jerusalem lebt. Gemeinsam hätten sie entschieden fortzufahren.

"Es war schrecklich", sagte Gross der AFP. Sie habe gerade von ihrer Kindheit während der Kriegsjahre 1939 bis 1945 berichtet, als auf einmal das "fürchterliche" Video aufgetaucht sei. Abensur sprach von einer absichtlichen antisemitischen Störung.

Die Videokonferenz-Plattform Zoom, die in der Corona-Krise viel genutzt wird, steht seit längerem in der Kritik. Nutzer beschweren sich, dass bei Videoschalten plötzlich unerwünschte Inhalte wie Hass-Botschaften oder Pornos auf den Bildschirmen auftauchen. Das Unternehmen versprach daraufhin, die Sicherheitsstandards zu erhöhen.

(AFP)
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