Analyse: Zuwanderer in der Hartz-IV-Falle

Migranten haben es oft schwerer als Deutsche, der Arbeitslosigkeit zu entkommen.

Berlin. Astrid-Sabine Busse will erstmals gar nichts mehr sagen. Sieleitet in Berlin-Neukölln eine Grundschule, die mit die meisten Kinderaus Hartz-IV-Familien in Deutschland hat.

80 Prozent der Eltern der 660Schüler sind arbeitslos, 80 Prozent sind Migranten, vorwiegend Türkenund Araber. 468.000 Euro an Hartz-IV-Zahlungen gehen Monat für Monat anEltern und Schüler.

Frau Busse hatte zum Beispiel gesagt, dass ihreKüchenfrauen für sieben Euro brutto die Stunde arbeiten und wenigerhaben, als die, die nicht arbeiten. Sie möchte nun die schwierigeDebatte nicht weiter befeuern.

Bei der anstehenden Hartz-IV-Reform wird es auch darauf ankommen,den Migranten-Anteil von 28 Prozent zu senken. Das Grundproblem: Esgibt zu wenig ausreichend bezahlte Jobs, die nur geringeQualifikationen verlangen.

Beim Thema Migranten und Hartz IV sind vier Wahrheiten zu benennen.

Erstens: Viele Migranten, die Arbeitslosengeld II beziehen, sprechenwenig bis gar kein Deutsch.

Zweitens: Ein Herr Müller wird bei gleicher Qualifikation vonUnternehmen oft einem Herrn Öztürk vorgezogen - für eine Studie imAuftrag des Instituts zur Zukunft der Arbeit wurden 1000 Bewerbungenauf Praktikumsstellen für Wirtschaftsstudenten verschickt, Bewerber mittürkischen Namen erhielten 14 Prozent weniger positive Antworten alsDeutsche.

Drittens: Der Sozialstaat in Deutschland ist nicht so verlockend,dass es ein flächendeckendes Einrichten von Arbeitlosen im sozialenNetz gibt.

Viertens: Es gibt auch bei Migranten Missbrauch von Hartz IV.

Die Suche nach Lösungen ist schwer, besonders in einigenwestdeutschen Großstädten, wo mehr als jeder zweite Hartz-IV- EmpfängerMigrant ist. "Wenn alle im Haus von Hartz IV leben, ist es wenigerpeinlich, der Druck, da raus zu wollen, ist dann geringer", sagt ArnoldMengelkoch, Migrationsbeauftragter in Neukölln. Es komme zunächstdarauf an, das Bewusstsein der Eltern zu schärfen, damit sich dieJugendlichen nicht in Hartz IV einrichteten. "Aber wenn sie schon denElternsprechtag meiden, sind das schlechte Voraussetzungen."

Mehr Ganztagsschulen und eine stärkere Durchmischung der Klassenerachtet er beim frühzeitigen Vorbeugen gegen Hartz-IV-Karrieren alssinnvoll. Zugleich müsse bei den Erwachsenen der Druck erhöht werden,etwa durch strengere Kürzungen bei Kindergeld oder Hartz IV, wenn sienicht kooperieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort