Analyse: Wann sind die „Neuen Bundesländer“ alt?

Auch 20 Jahre nach dem Mauerfall hält sich der Begriff hartnäckig, obwohl er eigentlich verpönt ist.

Berlin. "Neue Bundesländer" - 20 Jahre nach dem Mauerfall sollte manmeinen, die Bezeichnung sei überflüssig. Stattdessen herrschtÜberfluss: Der angestaubte Begriff ist nicht tot zu kriegen, obwohl ihnkaum einer mehr mag, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agenturzeigt.

"Neue Bundesländer" wohin man hört, wenn es um Sachsen,Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und beimanchen auch um den früheren Ostteil Berlins geht. Es gibt einenFörderverein der Gehörlosen der neuen Bundesländer, eineHochschulinitiative Neue Bundesländer, und Pferdeliebhaber kennen denZuchtbezirk Neue Bundesländer/Berlin des Trakehner-Verbands Deutschland.

Es gibt sogar einen Beauftragten der Bundesregierung für - was wohl?- die Neuen Bundesländer. Er heißt Wolfgang Tiefensee, ist auchBundesverkehrsminister, und hält eigentlich nicht viel von diesem Wortfür das Gebiet der zusammengebrochenen DDR. "Ich spreche lieber vonOstdeutschland", sagt der SPD-Politiker. "Irgendwann hat sich das Jahr1989 auch insofern überholt, als da nicht neue Länder hinzugekommensind, sondern Deutschland ist vereinigt mit Teilen, die alle einehundert-, eine tausendjährige Geschichte haben." Ähnliche Stimmen gibtes viele: "Wir sind nicht mehr so neu. Wenn Sie zwanzig sind, sind Siekeine zwei mehr", meint etwa Wolfgang Böhmer (CDU), Sachsen-AnhaltsLandesvater.

Es gibt aber Menschen, die auf eine Ost-West-Unterscheidungangewiesen sind, Statistiker zum Beispiel. So erreiche bei Löhnen undArbeitslosigkeit der Westen mit Abstand bessere Werte, bei derKinderbetreuung habe der Osten die Nase vorn, sagt Klaus Pötzsch,Sprecher des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden. Das sei nur durchdie lange Teilung zu erklären. Allerdings: Das überholte Wort "NeueBundesländer" sei nicht nötig, um das festzustellen.

Was also tun mit dem überholten Wort "Neue Bundesländer"? Eine nichtganz ernstzunehmende Lösung hat der Satiriker Martin Sonneborn parat,der mit seiner PARTEI bei der Bundestagswahl antritt; dahinter stehtdas Satire-Magazin "Titanic", dessen Redakteure die Mauer wiederaufbauen wollen. Er meint: "Wir brauchen den Begriff nicht. Wir werdenuns von dem Begriff wie von den neuen Bundesländern selbst trennen."

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