Analyse: Obama schwenkt auf die Linie der EU ein

US-Präsident will beim G20-Gipfel seine Bereitschaft zur Kooperation zeigen und den Weg aus der Finanzkrise weisen.

Washington. Vor wenigen Tagen noch sah es so aus, als wolle US-Präsident Barack Obama im Vorfeld des Londoner G20-Gipfels einen Konfrontationskurs gegenüber seinen Kollegen in der EU steuern. Doch nun rudert das Weiße Haus zurück. Die umstrittene US-Forderung nach neuen Konjunkturprogrammen in Europa sowie anderen Industrienationen soll von der Tagesordnung verschwinden.

Wie Obamas Chefstratege David Axelrod betonte, "hat der Präsident kein Interesse daran, gleich anlässlich seiner ersten multilateralen Gipfelkonferenz bei wichtigen Partnerländern anzuecken". Die US-Regierung will stattdessen das eigene Modell für eine neue globale Finanzarchitektur in den Mittelpunkt rücken und außerdem die Weichen stellen für eine Stärkung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Zuvor hatten sowohl die Bundesregierung als auch der britische Premierminister Gordon Brown Obamas massive Ausgabenprogramme als zu teuer kritisiert.

Im Mittelpunkt des Gipfels soll daher jenes Programm zur umfassenden Finanzmarktregulierung stehen, das bereits seit fünf Monaten in Vorbereitung ist. Dem Auftaktgipfel der G20 im vergangenen November war Obama ferngeblieben - aus Respekt vor George W. Bush, der da noch im Amt war.

Gleichwohl wusste der neue Präsident, dass er fünf Monate später die Gelegenheit haben würde, bei seinem ersten multilateralen Gipfeltreffen die Pflöcke für ein neues Regelwerk zur Regulierung der Finanzmärkte einzuhauen und damit der G20-Konferenz seinen Stempel aufzudrücken.

Er will Vollmachten durchsetzen, jene Banken, deren Pleiten das gesamte Finanzsystem bedrohen würden, zu verstaatlichen. Auch will er die Notenbank als zentrale Aufsichtsbehörde für die Märkte mit umfassenden Kompetenzen ausstatten.

Demnach wäre der oberste Währungshüter Ben Bernanke sowohl für die Überwachung international tätiger Hedgefonds zuständig als auch für die Kontrolle über die Finanzderivate, die als Hauptauslöser der Krise angesehen werden. Ein weiteres Anliegen der US-Delegation wird eine Aufwertung des IWF sein, dessen Ressourcen durch Beiträge der Mitgliedsländer von 327 Milliarden auf etwa 750 Milliarden Dollar erhöht werden sollen.

Obama behauptet zwar, auch auf der globalen Bühne ein "Mannschaftsspieler" zu sein, der seinen Partnern zuhört. Im Wesentlichen aber sieht der US-Präsident die Hauptverantwortung bei seiner Regierung. Schließlich hatte die Finanzkrise auch in den USA ihren Ursprung. Folglich, so der neue Chef im Weißen Haus, müssten auch in Amerika die Lösungen gefunden werden.

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