Analyse: Lissaboner EU-Vertrag - Einigung im Endspurt?

Künftig sollen Bundestag und Bundesrat mehr Einfluss auf die Politik der EU haben.

Berlin. Am Ende ging es nur noch darum, in Wahlkampfzeiten niemanden allein im Regen stehen zu lassen. Immer dann, wenn die CSU ihre Maximalforderungen auf den Tisch legte, ging die SPD "wie im Affekt" in Abwehrhaltung, schilderten Teilnehmer der Union den Ablauf der vielen sommerlichen Verhandlungsrunden zur Umsetzung des EU-Reformvertrags von Lissabon.

Dabei wussten alle, dass sie unter Einigungszwang stehen und dass daraus kaum Honig für den Wahlkampf gesaugt werden kann: "Die Materie ist nicht so erotisch, dass sie beim Publikum große Wellen schlägt", sagt einer, der es wissen muss.

So stand die parteipolitische Interpretation des Ergebnisses eigentlich schon vor dem Ende der entscheidenden Verhandlungen am Dienstag Nachmittag fest. Der bayerische Löwe sei mit seinem 14-Punkte-Forderungskatalog mal wieder übers Ziel hinausgeschossen, heißt es bei der SPD.

Die CSU brachte in letzter Minute vor allem die Wahrung der Interessen der Kommunen bei EU-Vorgaben ins Spiel. "Die CSU als Retter der Gemeinden", vermuteten Oppositionsvertreter das Ersatz-Motiv aus Bayern. Verfassungsänderungen für Volksabstimmungen über EU-Fragen, wie ebenfalls von der CSU verlangt, sind in den nun anstehenden Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat dagegen chancenlos.

Dennoch haben die Fraktionen - mit Ausnahme der Linken - in insgesamt vier Gesetzen ein neues EU-Mitbestimmungspaket für Bundestag und Bundesrat vereinbart, das Regierung und Parlament vor ganz neue Herausforderungen stellt. So wird künftig die Regierung nur mit einem Gesetz des Parlaments im Rücken wichtige Entscheidungen in Brüssel treffen können - etwa beim Übergang von der Einstimmigkeit zu Mehrheitsentscheidungen oder bei zusätzlichen Zuständigkeiten der EU-Kommission.

Auch bei künftigen EU-Erweiterungen wird der Bundestag vorher gehört werden müssen und nicht erst - wie im Fall der Türkei - wenn der Beitritt nach jahrelangen Verhandlungen faktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Die Regierung muss handlungsfähig bleiben, aber eine stärkere Rechtfertigung der EU-Politik nach innen - das war letztlich das Leitmotiv der Verhandlungen.

Das sich nun abzeichnende Ergebnis, das in Sondersitzungen vom Bundestag und vom Bundesrat bis Mitte September abgesegnet werden muss, dürfte wohl mit großen Mehrheiten verabschiedet werden. Die Zitterpartie für den Lissabon-Vertrag wird aber noch anhalten. Die Linke-Fraktion hat mit einem neuen Gang nach Karlsruhe gedroht.

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