Analyse: Europas fixe Erholung verblüfft Amerika

Die USA müssen umdenken, damit die Krise noch in diesem Jahr gemeistert wird.

Washington. Mohamed El-Erian zählte mit. Viermal binnen zwei Stunden erwähnte der Moderator von CNBC, Joe Kernen, dass Deutschland und Frankreich die Rezession hinter sich haben und die USA noch nicht. "Gib zu, Joe - das bringt Dich um!", scherzte El-Erian, Chef der Allianz-Tochter Pimco, einer der weltweit größten Geldverwalter - und brachte damit die Stimmung in den USA auf den Punkt. Denn für viele war eigentlich klar: Die größte Volkswirtschaft der Welt schlitterte als erste in die Krise, also kommt sie als erste auch heraus. Dass die Europäer sie rechts überholten, macht in den USA viele baff.

Denn statt eines leichten Wachstums wie in den beiden größten europäischen Volkswirtschaften, musste Amerika im zweiten Quartal noch ein einprozentiges Minus verbuchen. Das war zwar besser als von vielen erwartet, aber eben doch ein Minus.

Für El-Erian liegt auf der Hand, weshalb die Europäer davonzogen: "Sie haben stärker Teil am Wachstum in Asien. Und vor allem gab es dort nicht eine so hohe Verschuldung". Über den Berg sind die beiden europäischen Konjunktur-Vorreiter deshalb seiner Meinung noch lange nicht. "Es stellt sich dort dieselbe Frage wie hier: Ist das Wachstum wirklich nachhaltig?"

Immerhin: Im dritten Quartal soll es nach Meinung von Ökonomen auch in den USA vorbei sein mit der Schrumpf-Wirtschaft. Die Investmentbank Goldman Sachs korrigierte schon einmal ihre Prognosen deutlich nach oben. Statt jeweils nur ein Prozent erwartet der Branchenprimus in den beiden letzten Quartalen des Jahres je satte drei Prozent. Der Grund: Eine schnelle Leerung der Lager, eine Wirkung der Konjunkturmaßnahmen und eine Wiederbelebung auf dem krisengeschüttelten US-Immobilienmarkt.

War es bei früheren Rezessionen der amerikanische Verbraucher, der den Karren mit seiner nicht totzukriegenden Kauflaune aus dem Dreck zog, zeigt diese Krise, wie sich die Welt verändert hat (siehe Kasten). Auguren erwarten, dass nach dem kurzen, durch staatliche Finanzspritzen ausgelösten Aufwärts-Ruck in den USA keine rosarote Zeiten anbrechen. Goldman Sachs rechnet mit einem Wachstum von nur noch zwei Prozent in der ersten Hälfte 2010 und mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von derzeit 9,4 Prozent auf in der Spitze 10,5 Prozent.

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