Analyse: Die zerstrittene Fatah sucht den Neuanfang

Erster Parteitag der palästinensischen Organisation von Präsident Mahmud Abbas seit 20 Jahren.

Bethlehem. Für Fatah-Chef Mahmud Abbas ist es wohl die letzte Chance, seine angeschlagene Autorität wiederherzustellen, für viele jüngere Delegierte ist es der "Tag des Jüngsten Gerichts": Noch bis am Donnerstag treffen sich in Bethlehem rund 2260 Delegierte zur 6. Generalversammlung der Fatah.

Es ist der erste Parteitag der größten, 1958 von Jassir Arafat gegründeten Palästinenser-Organisation seit 20 Jahren. Und deren Lage ist nicht gut. Zerstritten, korrupt und demoralisiert, zusammengehalten vor allem durch den Zufluss von Geld aus den USA und Israel, sucht die dominierende Fraktion in der PLO nach einem Neuanfang.

Der Parteitag im Westjordanland findet mit Unterstützung Israels statt. Die USA und Israel setzen auf Abbas, weil die Alternative - die in Gaza regierende Hamas - als unannehmbar gilt. Und Abbas hofft, dass der Parteitag ihm die Legitimation gibt, die ihm tatsächlich fehlt: Seit Januar ist seine Amtszeit als Präsident der Autonomie-Behörde abgelaufen, und das freigewählte Parlament ist handlungsunfähig, weil Israel 40 der Hamas-Abgeordneten ins Gefängnis geworfen hat.

Im kommenden Jahr sollen Neuwahlen stattfinden. Nach Umfragen aber liegt Abbas trotz der absoluten Kontrolle seiner Milizen im Westjordanland nur gleichauf oder knapp hinter Hamas-Chef Ismail Hanija, dem letzten vom Parlament gewählten Premier.

Für viele Delegierte ist dieser Parteitag aber auch der Ort der Abrechnung: Für die vernichtende Wahlniederlage der Fatah gegen die Hamas, für die Ergebnislosigkeit der Reisediplomatie von Abbas und für die ungeklärten Umstände des Todes von Arafat vor fünf Jahren.

Als die Nummer zwei der Fatah, Faruk Kaddumi, Abbas jüngst öffentlich in Al Dschasira vorwarf, an einem mit Israel abgesprochenem Mordkomplott gegen Arafat beteiligt gewesen zu sein, wusste sich Abbas nicht anders zu helfen, als den Sender zu schließen.

Es scheint sicher, dass Abbas die Mehrheit der ausgesuchten Delegierten hinter sich hat. Abbas verfügt über die internationalen Gelder, mit denen er Milizen und Angestellte bezahlt. Das ist aber auch seine Schwäche, rückt es ihn doch immer wieder in den Verdacht der Kollaboration mit den Besatzern.

Entscheidend wird deshalb sein, welche Weichen der Parteitag morgen bei der Wahl der neuen Führung für die Zeit nach Abbas stellt. Mit Marwan Barguti, dem populären Intifada-Führer, und Mohammed Dahlan, dem Ex-Fatah-Polizeichef in Gaza, stehen zwei junge Politiker zur Wahl. Dahlan als Mann von Abbas und den Israelis. Barguti als Gefangener in Israel.

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