Analyse: Das politische Berlin feiert die Ü30-Party

Die Zeit der Minister mit grauen Schläfen geht zu Ende. Die Jungen kommen an die Macht.

Berlin. Jahrzehntelang galt geradezu gesetzmäßig: Wer in der Politik Karriere machen will, muss zuvor in seiner Partei die "Ochsentour" absolvieren. Das hieß: nächtelanges Diskutieren im Ortsverein, wochenlanges Plakatekleben im Wahlkampf, jahrelanges Hocharbeiten vom Gemeinderat über den Kreis- und Landtag bis in den Bundestag.

Dann, wenn die Schläfen schon grau wurden, winkte vielleicht ein Staatssekretärs- oder gar Ministerposten im Bund. Nicht zuletzt diese in allen großen Parteien übliche Tortur ließ manchen vor einem Engagement in der Politik zurückschrecken. Doch es geht auch anders. Derzeit ist in Berlin politische Ü30-Party, die "Generation Facebook" prescht voran.

Jüngstes Beispiel: Kristina Köhler (CDU), die neue Familienministerin. Am Montag wird die gerade 32-jährige Wiesbadenerin ihre Ernennungsurkunde erhalten. Die promovierte Soziologin erzählte in der ARD: "Ich saß in meinem Bundestagsbüro, als die Bundeskanzlerin anrief. Und das war für mich eine große Überraschung." Für den Rest der Republik auch.

Beispiel zwei: der FDP-Politiker Philipp Rössler. Mit 36 Jahren war er vor der Ernennung Köhlers das jüngste Mitglied im neuen Kabinett. Auch seine Berufung zum Bundesgesundheitsminister war ein Überraschungscoup. Er galt zwar in der FDP schon lange als Hoffnungsträger, war aber über seine Heimat Niedersachsen hinaus kaum bekannt.

Erst im Februar war der damalige FDP-Landtagsfraktionschef Landeswirtschaftsminister geworden. Jetzt muss der Arzt die von Schwarz-Gelb geplante Reform des Gesundheitssystems auf die Beine stellen - und stößt mit seinen Ideen in der Koalition bereits auf vehementen Widerstand.

Beispiel drei: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist ein Beispiel dafür, wie schnell man heute in der Politik altern kann. In der vergangenen Wahlperiode war er mit seinen 37 Jahren noch der Jüngste in der Bundesregierung. Jetzt liegt er nur noch auf Rang drei. Erst im Februar war er unerwartet Wirtschaftsminister geworden. Schnell avancierte der Freiherr aus einem fränkischen Adelsgeschlecht zum Shootingstar der deutschen Politik und zu einem der beliebtesten Politiker hierzulande. 68,1 Prozent der Erststimmen bei der Bundestagswahl in seinen Wahlkreis Kulmbach sprechen eine deutliche Sprache.

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