Analyse: Bekommt Helmut Kohl den Friedensnobelpreis?

Die Welt blickt mit Spannung nach Oslo. Auch ein chinesischer Dissident gilt als Mit-Favorit.

Oslo. Ein Dissident aus China, Altkanzler Helmut Kohl, Großmütter aus Argentinien, die Europäische Union (EU) oder vielleicht gar das Internet als "Friedensprojekt"? Vor der Vergabe des Friedensnobelpreises ist schon lange nicht so kräftig spekuliert worden wie in diesem Jahr. Der norwegische Komitee-Chef Thorbjørn Jagland verkündet am Freitag um 11 Uhr im Osloer Nobelinstitut die Entscheidung über den prestigeträchtigsten Preis der Welt.

Er selbst und seine Mitstreiter, eigentlich zu strengster Geheimhaltung verpflichtet, haben mit Andeutungen die Spekulationen angeheizt. "Wenn wir den Preis an eine Person vergeben, dann muss die oder der Betreffende für etwas eingestanden, persönliche Belastungen auf sich genommen und einen Kampf durchgestanden haben", meinte Jagland in der Zeitung "Drammens Tidende". Es gehe nicht um "Friedensarbeit vom Schreibtisch".

Deutet das auf Helmut Kohl hin, der für seine Rolle bei der deutschen Vereinigung und der europäischen Einigung als Kandidat gehandelt wird? Jaglands Bemerkung könnte auch perfekt zu dem chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo passen, der für seine politische Überzeugung in Haft sitzt. Dasselbe gilt für die afghanische Menschenrechtlerin Sima Samar und die Russin Swetlana Gannuschkina von der vor allem für Tschetschenen aktiven Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung".

Aber Jagland ließ bei seiner Äußerung durchaus offen, ob der Preis nicht vielleicht an eine der 38 nominierten Organisationen unter insgesamt 237 Kandidaten geht. Zuletzt geschah das 2007, als sich der UN-Klimarat den Friedensnobelpreis mit Ex-US-Vizepräsident Al Gore teilte. Die EU hätte ihn schon längst verdient, meinte Geir Lundestad, der einflussreiche Chef des Osloer Nobelinstitutes. Er setzte in einem TV-Interview noch eins drauf: "Abgesehen davon, dass Mahatma Gandhi nie den Preis bekommen hat, ist die EU das größte Versäumnis des Komitees."

Nach dem umstrittenen Preis 2009 für den US-Präsidenten Barack Obama deutet dieses Jahr das meiste auf einen oder mehrere Preisträger "von der Basis" hin. Der in Oslo ansässige Radiosender Democratic Voice of Burma wird genannt. Und die argentinischen Großmütter von der Plaza de Mayo in Buenos Aires, die beharrlich für die Aufklärung von Verbrechen der Militärjunta kämpfen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort