25 Jahre Ost-SPD: Zwischen Sternstunde und Fehlern

Während Erich Honecker die Parade zum 40. Geburtstag der DDR in Ost-Berlin abnimmt, gründen 43 Bürgerrechtler und Pfarrer die ostdeutsche SPD. Der Schritt ist mutig - aber die westdeutsche SPD macht es ihnen nicht leicht.

Stehend l-r Johannes Rau (SPD-West), Stephan Hilsberg (Sprecher der SPD-Ost), Hans-Jochen Vogel (Parteivorsitzender SPD-West), Ibrahim Böhme (Geschäftsführer SPD-Ost) und Markus Meckel (Zweiter Geschäftsführer der SPD-Ost), SDP-Gründungsmitglied Harald Ringstorff, sowie vorn sitzend Ex-Kanzler Willy Brandt (Ehrenvorsitzender SPD-West) sind auf ihrem gemeinsamen Treffen am 12. Februar 1990 in Bonn offensichtlich guter Dinge. Am 27. September 1990 vereinigten sich die SPD Ost (ehemals SDP) und die SPD West zu einer Partei.

Stehend l-r Johannes Rau (SPD-West), Stephan Hilsberg (Sprecher der SPD-Ost), Hans-Jochen Vogel (Parteivorsitzender SPD-West), Ibrahim Böhme (Geschäftsführer SPD-Ost) und Markus Meckel (Zweiter Geschäftsführer der SPD-Ost), SDP-Gründungsmitglied Harald Ringstorff, sowie vorn sitzend Ex-Kanzler Willy Brandt (Ehrenvorsitzender SPD-West) sind auf ihrem gemeinsamen Treffen am 12. Februar 1990 in Bonn offensichtlich guter Dinge. Am 27. September 1990 vereinigten sich die SPD Ost (ehemals SDP) und die SPD West zu einer Partei.

Foto: Tim Brakemeier

Berlin (dpa). Manuela Schwesig war erst 15 und noch sehr fern von der SPD. Heute ist die Bundesfamilienministerin so etwas wie das Gesicht der ostdeutschen Genossen und nennt das Treffen damals im brandenburgischen Schwante „eine Sternstunde der Demokratie.“ Es gehörte schon Mut dazu, dass 43 Männer und Frauen am 7. Oktober 1989 die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) gründeten - während in Ost-Berlin Erich Honecker den 40. Geburtstag der DDR feierte. Dumm nur, dass der erste Vorsitzende Ibrahim Böhme ein Stasi-Spitzel war. So war der DDR-Geheimdienst immer bestens im Bild.

Es war ein gefährliches Unterfangen. In der SPD-Zeitung „Vorwärts“ wundert sich der damalige Antreiber Markus Meckel, dass die Gründungsmitglieder nicht verhaftet wurden, wo doch Böhme alias IM Maximilian alles verriet. „Ich kann nur vermuten, dass die Destabilisierung schon so weit fortgeschritten war, dass die Angst herrschte, eine Verhaftung der Initiatoren würde ein solches Projekt nur befördern.“

Bis heute sind die Sozialdemokraten aus dem Osten stolz, dass sie einen anderen Weg als die CDU gegangen sind, die sich in der DDR als Blockpartei gleichschalten ließ. Allerdings konnte die Ost-CDU nach der Wende dadurch viel schneller schlagkräftige Strukturen schaffen, während die neue SDP eigentlich keine SED-Mitglieder aufnehmen wollte - ein historischer Fehler, wenn man die heutige strukturelle Schwäche der SPD in Ostdeutschland sieht?

Schwesig hat lange über diese Frage nachgedacht. „Ich finde, es war kein historischer Fehler.“ Es habe keine Alternative gegeben, die Bürgerrechtler hätten das nicht mitgemacht. „Aber die Entscheidung hat negative Folgen bis heute.“ Denn so wurde vielleicht die Chance verpasst, eine Reihe gemäßigter SED-Leute zu gewinnen - und die Linke wäre heute möglicherweise nicht so stark im Osten. „Deshalb ist es eine Entscheidung mit Licht und Schatten“, sagt Schwesig. Heute hat die Ost-SPD rund 21 500 Mitglieder, mit den Genossen in Berlin 38 850 Mitglieder. Bei den jüngsten Wahlen in Sachsen und Thüringen kam die SPD gerade einmal auf 12,4 Prozent.

Die Wendezeit gehört sicher nicht zu den Sternstunden der Bundes-SPD. Erst wurde die SDP nur zaghaft unterstützt, nach dem Mauerfall gab es eine Reihe von Fehleinschätzungen. Über die Frage, ob die Ost-Genossen im Frühjahr 1990 in ein Regierungsbündnis unter Ministerpräsident Lothar de Maizière (CDU) eintreten sollten, gab es heftigen Streit mit den Parteifreunden aus dem Westen, mit denen man sich im September 1990 zur gesamtdeutschen SPD vereinigte. Letztlich kam es zur Koalition in der DDR.

Weiteren Dissens gab es bei der von der Ost-SPD befürworteten schnellen Einführung der D-Mark, der sich vor allem Oskar Lafontaine massiv widersetzte. Er fürchtete, die Einführung der D-Mark werde sich katastrophal für die DDR auswirken und zu „ungeheuren Kosten und sozialpolitischen Verwerfungen“ führen.

SPD-Chef Hans-Jochen Vogel stand deshalb vor der Frage, ob er den Kanzlerkandidaten Lafontaine austauschen müsse. Und er ranmüsse, oder sogar Altkanzler Willy Brandt nochmal. „Lafontaine habe ich nie verstanden in seiner Positionierung zur Deutschen Einheit“, hat SPD-Chef Sigmar Gabriel kürzlich bei der Vorstellung des Buches „Was zusammen gehört - Die SPD und die deutsche Einheit“ gesagt.

In dem Buch schildert unter anderem Vogel detailliert und lesenswert die SPD-Debatten und den Streit mit Lafontaine. Lafontaine habe die Nicht-Einführung der D-Mark in der DDR als Bedingung seiner Kandidatur verstanden, berichtet Vogel. Kanzler Helmut Kohl (CDU) brauchte die Stimmen der SPD im Bundesrat für Staatsvertrag und Währungsunion, letztlich gab es eine Teil-Zustimmung.

Die SPD in Ost und West habe damals für einen Einigungsvertrag gekämpft, der die Interessen der Bu?rger berücksichtigte - und das vor dem Hintergrund einer katastrophalen wirtschaftlichen Situation in der ehemaligen DDR, betont Gabriel. „Natürlich entstanden dabei auch Spannungen zwischen Ost und West und innerhalb der Sozialdemokratie. Das Einigende, das Verbindende war aber immer dominierend.“ Die SDP habe dazu beigetragen, den Eisernen Vorhang zu beseitigen, lobt er.

Die Quittung für ihren uneinigen Kurs erhielt die SPD am 2. Dezember 1990, als sie bei der Bundestagswahl mit 33,5 Prozent ihr bis schlechtestes Ergebnis seit 1957 einfuhr. Machtpolitisch wurde die SPD zur Verliererin der Einheit, Kohl regierte noch acht Jahre. Und in Ostdeutschland kämpft die SPD bis heute mit Problemen.

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