Zweijähriger stirbt in Leipzig elend neben toter Mutter

Leipzig (dpa) - Familiendrama in einer Leipziger Wohnung: Ein bei der Leiche seiner Mutter tot entdeckter Zweijähriger ist wahrscheinlich verdurstet. Er sei allein und hilflos in der Wohnung des Mehrfamilienhauses zurückgeblieben und wenige Tage nach dem Tod der 26-Jährigen gestorben, sagte ein Polizeisprecher.

Hinweise auf ein Verbrechen gibt es bislang nicht. Warum niemand die Frau und ihren kleinen Sohn vermisste oder mögliche Hilferufe des Jungen hörte, ist nicht bekannt.

Die alleinerziehende junge Hartz-IV-Empfängerin war dem Jugendamt seit ihrem 16. Lebensjahr bekannt - als Drogensüchtige. Allerdings hatte die Behörde seit April nach eigenen Angaben keinen Kontakt mehr zu der kleinen Familie und will nun prüfen, ob es Versäumnisse gab. Sie übte auch Kritik an den Ermittlern.

Noch nicht endgültig klar sei, woran die 26-Jährige gestorben ist, sagte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz am Freitag der Nachrichtenagentur dpa. Zunächst hatte es geheißen, dass die Frau an multiplem Organversagen starb. Das bestätigte Schulz später nicht. Ob das Kleinkind tatsächlich verdurstet sei, müssten weitere Untersuchungen ergeben, sagte der Oberstaatsanwalt: „Es gibt bisher keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen oder eine Straftat im Zusammenhang mit dem tragischen Tod der Mutter und des Kindes.“ Die Ermittlungen zu den Todesumständen würden noch einige Zeit dauern. „Es ist noch einiges zu klären“, sagte Schulz.

Auch wie lange die beiden tot in der Erdgeschosswohnung im bürgerlichen und bei Familien beliebten Stadtteil Gohlis lagen, ist noch unklar. Dazu laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge noch. Rettungskräfte und Polizeibeamte hatten die Leichen in der Nacht vom Samstag zum Sonntag entdeckt, wie die Polizeidirektion Leipzig aber erst am Donnerstag mitteilte. Nachbarn hatten die Polizei informiert, weil Verwesungsgeruch durch das Haus drang.

Mit Verweis auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte machte die Staatsanwaltschaft Leipzig keine Angaben zum Vater des Kindes. Auch zu Medienberichten, wonach die 26-Jährige polizeibekannt war, äußerte sich der Oberstaatsanwalt nicht: „Ob sie krank war oder eine Straftat begangen hat, ist für die Ermittlungen nicht relevant. Sie ist tot, und wir müssen prüfen, warum sie gestorben ist.“

Die Chefin des Allgemeinen Sozialen Dienstes Leipzig, Sibyll Radig, schilderte vor Journalisten die Lebensumstände der jungen Mutter in den vergangenen Jahren: Die Frau sei nach der Geburt des Sohnes im April 2010 in eine Mutter-Kind-Einrichtung gezogen und habe danach eine Drogentherapie begonnen. Den letzten Kontakt der Jugendbehörde mit den beiden habe es allerdings am 10. April dieses Jahres gegeben. „Die Mutter war mit neuem Lebenspartner und Kind bei uns und teilte mit, dass sie wegziehen will. Kind und Mutter machten einen guten Eindruck“, sagte Radig.

„Wir können diese Lücke vom 10. April bis zu dem Tag, an dem es passiert ist, nicht schließen“, sagte Leipzigs Jugendamtsleiter Siegfried Haller. Es müsse nun genau geprüft werden, ob bei den Behörden alle bundesweit geltenden Standards eingehalten wurden. „Wir werden im Nachgang auch die Schnittstellen im Beratungssystem prüfen“, sagte Haller. Er kritisierte zugleich die Ermittler: Er habe von dem tragischen Fall erst am Donnerstagabend aus dem Internet erfahren. Das normale Verfahren wäre eine Information von der Polizei gewesen.

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