Zugunglück: Spanien - Der Tod auf den Gleisen

Zwölf junge Menschen werden in Spanien von einem Zug überrollt. Lag es allein an ihrem Leichtsinn, oder spielten auch andere Gründe eine Rolle?

Barcelona. Einige sahen den Schnellzug noch kommen. "Ich erblickte die Lichter der Lok und hörte mehrere Warnsignale, doch schon drei Sekunden später war alles voller Leichen", schilderte am Donnerstag einer der Überlebenden das verheerende Bahnunglück nahe Barcelona.

Wie Hunderte andere war der Bolivianer Marcelo Carmona mit der Pendlerbahn in den katalanischen Ferienort Castelldefels gefahren, um bei der großen Strandparty zum Johannistag dabei zu sein und ausgelassen die Sommer-Sonnenwende mit Musik, Tanz und Lagerfeuer zu feiern.

Doch gegen 23.30 Uhr geriet der fröhliche Ausflug an die Costa Dorada zum Alptraum. Statt eine Unterführung zu nehmen, strömten Dutzende vor allem junger Leute über die Gleise Richtung Strand.

Die vermeintliche Abkürzung wurde zur Todesfalle: Im Gegensatz zu Marcelo nahmen viele den von rechts heranrasenden Euromed-Zug "Alaris" nicht wahr und wurden buchstäblich in Stücke gerissen.

Zwölf junge Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren starben bei dem schlimmsten Zugunglück Spaniens seit 2003, 14 weitere wurden schwer verletzt. Drei von ihnen schweben in Lebensgefahr.

"Es war brutal. Es hörte sich an, als würde jemand Steine zermalmen, dabei waren es Menschen", erzählte der Besitzer des Bahnhof-Ladens wie unter Schock.

"Alles war voller Blut und Leichenteile", sagte Ginés Gil, der nahe dem Bahnhof wohnt, im katalanischen Fernsehen.

Die Toten sind so entstellt, dass sie zunächst nicht identifiziert werden konnten. "Das ist wie ein tragisches Puzzlespiel", sagte ein Retter den Reportern.

Die Behörden leiteten Ermittlungen ein. Doch schnell machten sie die Opfer selbst für die Tragödie verantwortlich. "Die Jugendlichen haben sich fahrlässig verhalten", sagte der katalanische Regierungschef José Montilla am Unfallort.

Auch die Bahngesellschaft Renfe wies jede Schuld von sich. "Wir haben alle Sicherheitsnormen erfüllt", sagte Renfe-Chef Teófilo Serrano.

Zudem sei der Bahnhof von Castelldefels erst 2009 modernisiert und mit einer neuen Unterführung ausgestattet worden, die gut mit Signalen versehen sei.

Dem widersprechen allerdings einige Überlebende. "Es gab kein Licht, und dass ein Zug kam, hat uns niemand gesagt", erzählte eine Frau im TV.

"Bei so vielen Menschen auf den Gleisen hätte uns dieser doch sehen müssen." Außerdem sei die Unterführung für die Menschenmassen viel zu eng und somit überfüllt gewesen.

Abhilfe hätte die ebenfalls vorhandene Fußgängerbrücke leisten können. Doch diese war wegen Bauarbeiten gesperrt, wie der Bürgermeister einräumte.

Das ließ Spekulationen aufkommen: Wurden die Menschen dadurch etwa in die Irre geleitet und glaubten, es gebe keinen anderen Weg als über die Gleise? Der Bürgermeister schließt das aus. Schilder wiesen nach seinen Angaben den Weg zur Unterführung.

Die Bahngesellschaft Renfe wies auch den Vorwurf zurück, der Euromed sei zu schnell in den Bahnhof eingefahren. Experten erklärten, der Lokführer habe das Unglück nicht verhindern können: Der tonnenschwere und bis zu 200 Stundenkilometer schnelle Zug brauche auch bei einer Notbremsung eine lange Strecke, bis er zum Stehen komme.

Der unter Schock stehende Lokführer musste sich einem Alkoholtest unterziehen - er war nüchtern, wie der Rundfunk berichtete.

Am Strand von Castelldefels bekamen die Menschen von dem Drama zunächst nichts mit und feierten ersteinmal weiter.

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