Fläschchen und Laufstall Zoo-Chefin zieht Löwe auf

Im Eifel-Dorf Lierfeld päppelt eine Tierpflegerin ein Löwenbaby zu Hause auf. Eine Löwin im Zoo kümmerte sich nicht um ihren Nachwuchs. Jetzt ist Isabelle Wallpott die Ersatzmama.

Malor genießt eine Flasche Katzenmilch.

Malor genießt eine Flasche Katzenmilch.

Foto: Harald Tittel

Lierfeld. Er hält das Fläschchen in den Vorderpfoten. Dann schnappt er nach dem Sauger, schließt die Augen und trinkt. Es dauert nicht lange und die Milch ist weg - verschwunden im Löwenbauch. „Malor hat einen guten Hunger“, sagt Isabelle Wallpott mit dem Löwenbaby auf dem Arm. Die Leiterin des Eifel-Zoos in Lünebach (Rheinland-Pfalz) ist seit Mitte Februar seine Ersatzmama. Denn Löwenmutter Lira hat Malor nach dessen Geburt verstoßen. „Sie hat sich nicht gekümmert“, sagt die 34-Jährige. Seitdem wohnt das Löwenbaby bei Wallpotts zu Hause im Wohnzimmer.

Malor hat seinen Namen nicht ohne Grund bekommen, erzählt die Tierpflegerin und lässt den Kleinen auf dem Boden herumtapsen. Er sei „ein Malheurchen“ gewesen, denn eigentlich hätte seine Mutter gar nicht trächtig werden sollen: Es sollte per Implantat verhütet werden, „aber das hat ja wohl nicht geklappt“. Und da „Malheurchen“ kein angemessener Name für einen Löwen sei, wurde dann Malor daraus. Er war für alle im Zoo ein Überraschungskind.

Kleiner Löwe ganz groß - Malor ist der neue Star im Eifelzoo
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„Wir wussten nichts von der Schwangerschaft“, erzählt die gebürtige Kölnerin Wallpott. Eines Tages habe das Junge regungslos im Löwengehege gelegen. „Wir dachten anfangs, es sei tot.“ Es habe sich nicht bewegt, sei mit etwa 750 Gramm vielleicht ein Frühchen gewesen. „Doch plötzlich hat ein Ohr gezuckt“, sagt Wallpott. Sie habe das kleine Wesen sofort auf eine Heizung und unter eine Wärmelampe gelegt - und dann habe es auf einmal wieder regelmäßig geatmet.

Heute geht es dem hellbraunen, gescheckten Löwen prima - er bringt bereits vier Kilogramm auf die Waage. Etwa sechs Fläschchen Katzenaufzuchtmilch trinkt er täglich. Auch nachts brüllt er vor Hunger: Deshalb schläft Wallpott bei Malor im Wohnzimmer auf dem Sofa. „Es ist schon anstrengend“, räumt sie ein.

Löwenbaby Malor erkundet seine Umwelt
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Neben dem Zoo mit 450 Tieren in Lünebach versorgt sie noch ihre Tochter, vier Katzen und zwei Hunde in ihrem Haus in Lierfeld. Glücklicherweise verstehen sich alle gut.

Natürlich werde Malor auch gestreichelt und gekrault. „Ich passe aber auf, dass es nicht zu viel wird. Denn er ist und bleibt ein wildes Tier“, sagt sie. Er müsse sich später gegen Artgenossen durchsetzen können. Bislang sei er mit wenigen Zähnchen aber ungefährlich.

Wann er wieder zu Löwin Lira und Löwe Nazir zurückkönne, ist noch offen. Es könnte gut sein, dass es ein Jahr dauere, meint Wallpott. Ab voraussichtlich Ende März soll Malor einmal täglich eine halbe Stunde im Zoo gezeigt werden.

Dass Löwenbabys von Menschen aufgezogen werden, passiert öfter. 2011 sprang im Zoo Neuwied eine Tierpflegerin für drei Löwenbabys ein. Deren Mutter hatte sie per Kaiserschnitt zur Welt gebracht und konnte nach der Geburt keine Beziehung zu ihnen aufbauen.

Auch dass Löwinnen ihre Jungen verstoßen, komme öfter vor, sagt der Tierexperte Mario Ludwig aus Karlsruhe, und zwar in freier Wildbahn genauso wie im Zoo. Dafür gebe es viele Gründe, sagt der Biologe, etwa bei Erstgebärenden, deren Muttergefühl noch schwach sei.

Mütter mit schwachen Babys ließen diese auch liegen, weil sie spürten, dass sie nicht überlebensfähig seien. Bei großen Würfen bleibe im Kampf um die Milch oft der Schwächste zurück. „Löwinnen sind aber deshalb nicht generell böse“, sagt Ludwig. Es passiere bei allen Säugetieren, dass Babys hin und wieder aufgegeben würden.

Der Europäische Zooverband rate generell von Handaufzuchten ab, sagt Professor Thomas B. Hildebrandt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. Sie seien aber vertretbar, wenn es sich um besonders genetisch wertvolle Tiere handele, wie etwa Eisbären, Elefanten, Löwen oder Tiger. Und es keine natürlichen Leihmütter gebe. Eine Handaufzucht sei prinzipiell mit Problemen verbunden. Es könne zu Fehlprägungen kommen, die Tiere seien möglicherweise später schwer zu verpaaren. Es sollte daher alles getan werden, um eine natürliche Mutter-Kind-Bindung zu ermöglichen.

Auch bei Malor sollte die Aufzucht möglichst „in Ruhe erfolgen, um damit auch die Chancen auf Wiedereingliederung in die Gruppe nicht zu gefährden“, teilt der Deutsche Tierschutzbund mit. Es müsse alles getan werden, damit das Jungtier verhaltensgerecht aufwachse.

Malor ist das erste Baby von Löwin Lira. „Mir ist schon klar, dass er etwas ganz Besonderes ist“, sagt Wallpott und trägt ihn zum Laufstall. Neben seinem Kuscheltier, einem Tiger, lässt er sich den Bauch kraulen, bevor er dann unter der Wärmelampe einschläft.

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