Wolfgang Apel: Der Dampfmacher aus Bremen

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes hat dem menschlichen Egoismus zulasten der Mitgeschöpfe den Kampf angesagt. Für ihn haben Tiere eine Seele.

Er ist ein Pferdeflüsterer. Lacht mit Nicki, streichelt Norbert, kuschelt mit den beiden Haflingern, scheint ihnen zuzuhören. Ruhig, ausgeglichen, entspannt der Mann - solange er mit den Tieren allein ist. Kaum kommt er von der Koppel in sein Büro und telefoniert mit Behörden, schimpft er, knallt den Hörer auf die Gabel und faucht: "Denen musste ich mal ordentlich Dampf machen!"

Wolfgang Apel, Pferdeflüsterer und Dampfmacher, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, kennt keine Kompromisse: "Wenn ich was mache, dann hundertprozentig."

Keine Kompromisse, keine Grenzen. Deutschlands oberster Tierschützer ist überall da, wo es um die Mitgeschöpfe geht, in Berlin und Beirut, in Bremen und auf den Balearen: Hier verhandelt er mit Ministern, da recherchiert er heimlich in Sachen Tiertransporte, hier kümmert er sich um Pferde auf dem Gnadenhof, da rettet er Straßenhunde vor den Fängern.

"Die Lage der Tiere ist katastrophal", klagt er und kämpft gegen Tierversuche und Käfighaltung, gegen Tiertransporte und Pelztierzüchter. Seine Freundin sieht ihn nicht oft: "Ich bin ja nie zu Hause, schließlich bin ich der Bundespräsident", scherzt Wolfgang Apel.

16 Landespräsidenten und 800000 Mitglieder im Deutschen Tierschutzbund stehen hinter ihrem hauptamtlichen "Bundespräsidenten", der im vergangenen Sommer mit 100 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt wurde. Ein Amt, von dem Apel sagt: "Das ist kein Job, das ist eine Einstellung."

Tiere als Mitgeschöpfe zu respektieren, das lernte der heute 56-Jährige schon als Kind, wuchs er doch in einer Familie mit vielen Tieren auf dem Land bei Bremen auf. Von der Religionslehrerin wurde er mit der Pflege des Klassenaquariums betraut, als junger Verwaltungsangestellter war er in seiner Freizeit im Bremer Tierschutzverein aktiv.

Apel, seit 1993 "Bundespräsident", bedauert, dass viele Kinder heute kaum Umgang mit Tieren haben: "Wir müssen mehr mit Kindern in der Schule machen, sie müssen Tiere kennenlernen, wir müssen ihnen ethischen Tierschutz vermitteln." Nur wer Tiere wirklich erlebe, der lerne auch, sie zu achten - statt sie als Ware zu verachten. "Aber da haben wir viele Jahre gegenüber unseren Kindern versagt, da besteht großer Nachholbedarf."

Kinder, so Apel, erleben zu viel an "Egoismus und Gier in der Gesellschaft der Erwachsenen": Menschen züchten und missbrauchen Tiere nur für den fleischlichen Gaumenkitzel, den luxuriösen Pelzmantel oder für die Gardemaße einer Rassekatzenausstellung.

"Und da werden noch immer Hummer in Restaurants in Bassins als Appetitanreger zur Schau gestellt, das ist schlicht Quälerei", regt er sich auf. Der Trend, Exoten in Wohnzimmer-Terrarien zu halten, widert ihn an: "Das ist doch wohl die Krönung, am besten sollen die Tiere noch zum Design der Wohnung passen, ekelhaft!"

Ob Reptilien daheim oder Delfine im Zoo - für Apel steht fest: "Richtig wäre, die Tiere da zu lassen und zu schützen, wo sie leben, in der Natur."

Apel greift zur Zigarette. Legt sie auf den Tisch, dreht sie zwischen den Fingern, stutzt, sucht sein Feuerzeug, legt die Zigarette wieder weg: "Wie soll man da ruhig bleiben, wenn man mitbekommt, was Tiere alles erleiden müssen."

Dass Tiere Rechte haben, davon versucht er unentwegt die Politiker zu überzeugen: "Die Merkel und den Beck muss man noch treten!" Kurt Beck habe er immerhin überzeugen können, Mitglied im Tierschutzbund zu werden.

Auf politischem Parkett ist Apel aktiv, den konkreten Tierschutz im Alltag vergisst er nie. Er halte nichts von militantem Tierschutz: "Aber wenn ich einen Hund im Auto eingeschlossen sehe, der nach Luft schnappt, dann schlage ich das Fenster ein."

Zusammen mit dem Journalisten Manfred Karremann dokumentierte er die grausamen Schlachttransporte per Lastwagen und Schiff in den Libanon, ein gefährliches Unterfangen: "Dein Leben zählt nichts, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht." Das Leben der Tiere zählt für ihn alles: "Die Straßen um die Tierlabors an der Uni Bremen meide ich, die Vorstellung, wie da Affen gequält werden, also das kann ich nicht aushalten."

Wohl fühlt er sich im Tierheim Bremen - Apel ist auch Vorsitzender des Bremer Tierschutzvereins. Dort steht im Flur eine große Holzstatue des heiligen Franziskus, Schutzpatron der Tiere: "Tiere haben eine Seele", meint Apel, schon deshalb kümmert er sich darum, dass es den Bewohnern im Bremer Tierheim gut geht.

Dafür ist er den menschlichen Mitarbeitern gegenüber oft hanseatisch barsch, ja schroff: "Muss ich wieder alles selber machen?", schimpft der Dampfmacher. Die Leute nehmen es gelassen: "Wir kennen ihn ja schon lange, so ist er eben, man muss ihn nur richtig nehmen", verrät eine Mitarbeiterin lächelnd.

Wolfgang Apel selbst weiß um seine Schwächen, auf dem Weg zurück zur Koppel gibt er zu: "Ich bin weder Jesus noch der Oberlehrer der Nation, ich treffe sicher jeden Tag irgendeine Fehlentscheidung."

Wolfgang Apel, 1951 in Bremen geboren, war Verwaltungsangestellter, wurde 1978 ehrenamtlicher Vorsitzender des Bremer Tierschutzvereins und 1993 hauptamtlicher Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Erhielt 2005 das Bundesverdienstkreuz. Er gehört der Tierschutzkommission beim Bundeslandwirtschaftsministerium an. Zudem ist Apel Mitbegründer und Vorsitzender des Neuland-Vereins für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung. Mit verschiedenen Aktionen erregte Apel Aufsehen. So dokumentierte er zusammen mit Manfred Karremann brutale Tiertransporte von Europa nach Arabien und sammelte Unterschriften; mittlerweile hat die EU eine neue Verordnung für Tiertransporte in Kraft gesetzt. In Odessa/Ukraine kämpfte er erfolgreich gegen die tägliche Vergasung von gefangenen Straßenhunden. Mit Aktionen wie "Kein Ei aus Quälerei" überzeugte er Teigwarenhersteller, bei der Produktion auf Eier aus Käfighaltung zu verzichten. Der Deutsche Tierschutzbund mit seinen 800000 Mitgliedern in 16 Landesverbänden unterhält über 700 Tierheime sowie die Akademie für Tierschutz. www.tierschutzbund.de

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