Wie ein wandelnder Kaktus: Urtierchen entdeckt

Berlin (dpa) - Zehn paar stachelige Beine, die aus einem wurmartigen Körper sprießen: Eine Schönheit war das Urzeitwesen „Diania cactiformis“ nicht unbedingt.

Wissenschaftler aus Berlin und China, die das sechs Zentimeter lange Tierchen in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift „Nature“ (Bd. 470, Nr. 7335) beschreiben, nennen es einen „wandelnden Kaktus“. Entzückt sind sie trotzdem. Denn der rund 450 Millionen Jahre alte Stachel-Wurm deutet auf eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen Stummel- und Gliederfüßern hin.

Diese Verbindung sei bisher noch nicht belegt gewesen, berichtet Paläontologe Michael Steiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin. „Die Fossilien aus China hatten wir seit zehn Jahren in der Schublade. Aber lange wussten wir nicht richtig, was wir damit anfangen sollten.“ Erst als Steiner sich mit der chinesischen Doktorandin Jianni Liu zusammensetzte, die zur Zeit in Berlin arbeitet, kamen sie dem Rätsel gemeinsam auf die Spur. Jianni Liu besaß Wurm-Fossilien vom gleichen Fundort in China. Als alle Versteinerungen nebeneinanderlagen, erkannten die Forscher eine Art Sphinx: ein Tier, das Merkmale von zwei verschiedenen Tiergruppen in sich trägt, den Stummel- und den Gliederfüßern.

Die Gliederfüßer hatten in der Evolution die Nase vorn und entwickelten sich etwa zu heutigen Insekten, Spinnen, Krebsen oder Tausendfüßern. „Charakteristisch für Gliederfüßer ist eine gepanzerte Hülle wie eine Ritterrüstung“, erläutert Steiner. Und natürlich Beine, auf denen sie laufen können. Stummelfüßer waren im Erdzeitalter Kambrium dagegen kleine, weiche Würmer mit Mini-Beinchen, die im Meer lebten. Weiterentwickelt haben sie sich kaum. Heute finden sie sich an Land - und nur noch in Urwäldern. „Die Art dümpelt eher so vor sich hin“, erläutert Steiner.

Der „wandelnde Kaktus“ hat etwas von beiden Arten: Beine zum Laufen und erste Ansätze einer Art Schutzweste am Körper. Er existierte parallel zu den beiden bekannten Füßer-Arten. Das größte Rätsel bleibt den Wissenschaftlern aber weiter verborgen. Seit langem suchen sie nach dem gemeinsamen Ur-Vorfahren der verschiedenen Füßer-Familien. Doch der hat sich in Funden aus dem Kambrium noch nicht gezeigt. „Leider“, seufzt Steiner.

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