Borkenkäfer-Invasion : Trockenheit macht Fichten zu leichter Beute
Schleiden/München/Clausthal-Zellerfeld (dpa) - Sönke Twietmeyer entgeht beim Streifzug durch den Nationalpark Eifel nichts: Nicht der winzige, skelettierte Unterkiefer einer Waldmaus, nicht der Nachwuchs einer Erdkröte und auch nicht der gefräßige Borkenkäfer.
Der hat sich durch die Rinde der Fichte gebohrt und baut dahinter eine sogenannte Rammelkammer - den zentralen Teil eines Brutsystems. Oft zeugt von dem Eindringling braunes Bohrmehl am Fuß eines Stammes. Nun hat der Tierkundler ein Bohrloch entdeckt und kratzt die Baumrinde an der Stelle mit einer Art kleiner Machete ab. Seit Wochen findet der Borkenkäfer mit der trockenen Hitze optimale Brutbedingungen - überall in Deutschland.
„Es ist zu befürchten, dass es zu einer Massenvermehrung kommt“, sagt Friedrich Louen vom Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen. Bei heißem und trockenen Wetter vermehren sich die Borkenkäfer (Scolytinae) schneller: Statt der üblichen zwei Generationen pro Jahr, beklagen Forstleute schon eine dritte. Über drei Generationen kann ein einziges Weibchen mehr als 100 000 Nachkommen haben.
Der Klimawandel verschlimmert die Situation seit Jahren. Im Frühling wird es früher warm, die Sommer dauern länger. Dadurch hat der Käfer viel Zeit, sich zu vermehren. Auch entwickle er sich schneller, je wärmer es sei, sagt Stefan Welzmüller, Leiter des Reviers Höhenkirchen bei München. Außerdem kommen die Fichten wegen der hohen Temperaturen und dem fehlenden Regen eher in „Trockenstress“, und sind somit anfälliger für die Käfer.
Bei den von Hitze und Trockenheit gestressten Fichten haben die Käfer, die eine Lebensdauer von gut einem Jahr haben und im Boden oder in befallenen Baumstämmen überwintern, leichtes Spiel: Die Bäume sondern nicht mehr genügend Harz ab, um den Angreifer zu verkleben. Und wenn sich die Käfer durch die Rinde bohren, um ihre Eier abzulegen, zerstören sie die Wasser- und Nährstoffleitbahnen der Bäume. Das gilt vor allem für den auf Fichten spezialisierten Buchdrucker (Ips typographus). Bei der Witterung dieses Sommers seien Fichten für die Käfer „leichte Beute“, sagt Rainer Hurling von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt in Göttingen.
Betroffen sind derzeit vor allem jene Gebiete mit vielen Fichten: etwa Harz und Solling, Teile des Saarlands, Hessens und Thüringens sowie große Gebiete in Bayern. In vielen Bundesländern sind Förster in Alarmbereitschaft, Mitarbeiter laufen Patrouille durch Wälder, um entsprechende Bäume möglichst schnell zu identifizieren. „Befallene Bäume werden gefällt, bevor die nächste Generation als Käfer ausfliegt“, erläutert Louen.