Politische Ansichten teilweise biologisch begründet

London/Lincoln (dpa) - Die politischen Ansichten eines Menschen sind zumindest teilweise biologisch begründet. Zu diesem Schluss kommen US-Forscher nach Experimenten mit liberal und konservativ eingestellten Männern und Frauen.

Konservative widmeten sich von Natur aus eher negativen Aspekten, schreiben die Forscher im Journal „Philosophical Transactions of the Royal Society B“. Liberale konzentrierten sich dagegen stärker auf Positives.

Die Psychologen und Politikwissenschaftler um John Hibbing von der Universität von Nebraska in Lincoln hatten 200 Männer und Frauen mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren in die Studie einbezogen. Mit Tests und Fragebögen wurden deren politischen Ansichten erfragt. Dann wurden die Teilnehmer einzeln vor einen Bildschirm gesetzt, auf dem je zwei Bilder zu sehen waren: ein angenehmes etwa von einem glücklichen Kind oder einem süßen Kaninchen sowie ein unschönes etwa von einer offenen Wunde mit Maden oder einer Spinne auf einem Gesicht. Über Elektroden auf der Haut wurde die Stärke emotionaler Reaktionen erfasst, über sogenannte Eyetracker die Augenbewegungen.

„Konservative reagierten stärker auf unschöne Bilder, schauten eher zu ihnen hin und ließen ihren Blick länger darauf verharren; Liberale reagierten im Vergleich stärker auf die angenehmen Bilder und sahen sie länger an“, heißt es in einer Mitteilung der Universität zur Studie. „Es wird gesagt, dass Konservative und Liberale die Dinge nicht auf die gleiche Weise betrachten“, wird der Psychologe Michael Dodd zitiert. „Diese Ergebnisse beweisen das.“

Ein weiterer Versuch mit klar liberal oder konservativ denkenden Menschen habe das Ergebnis bestätigt, so die Forscher. 46 Probanden wurden erneut Bilder vorgelegt, diesmal solche bekannter Demokraten und Republikaner wie Bill Clinton und George W. Bush. Konservative Menschen reagierten physiologisch stärker auf die Bilder der Demokraten - Liberale auch. Die einen reagierten demnach heftiger auf negative, die anderen auf positive Stimuli, folgerten die Experten.

Die Forscher betonen, politische Orientierungen keinesfalls bewerten zu wollen. Das Ergebnis zeige aber, wie bedeutsam biologisch festgelegte Merkmale in diesem Bereich seien. Statt anzunehmen, der Gegner sei uninformiert oder willentlich schwer von Begriff, sollten politische Differenzen - zumindest teilweise - in anlage- und wahrnehmungsbedingten Unterschieden begründet gesehen werden.

Konservative sagten oft, Liberale schwebten fern der Realität, wird Hibbing zitiert. Und Liberale klagten, Konservative fürchteten sich grundlos. „Berücksichtigt man, was jede Seite sieht, wo ihre Aufmerksamkeit liegt, was sie physiologisch wahrnimmt, dann lautet die Antwort: Beide Seiten haben recht.“

Vor knapp einem Jahr war eine Studie veröffentlicht worden, der zufolge Konservative ein größeres Angstzentrum im Hirn haben. Das berichtete eine Gruppe vom University College London im Journal „Current Biology“. Schon zuvor gab es neurowissenschaftliche Hinweise auf biologische Unterschiede zwischen Liberalen und Konservativen.

New Yorker Forscher hatten etwa belegt, dass konservative Menschen eine größere Neigung zeigen, auf Bestehendem zu beharren. Liberale erkennen demnach Signale besser, die eine Änderung eingefahrener Gewohnheiten nötig machen. Die Analyse elektrischer Impulse im Gehirn wurde in „Nature Neuroscience“ veröffentlicht. Für ihre Studie hatten die Psychologen Aktivitäten im Hirn von Menschen untersucht, die sich selbst als links oder rechts eingestuft hatten.

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