Physiker kommen Aufklärung des Higgs-Rätsels näher

New York/La Thuile (dpa) - Neue Messergebnisse stimmen Physiker zuversichtlicher, dass das hypothetische Higgs-Teilchen tatsächlich existiert. „Wir haben jetzt mehr Daten, die auf das Higgs hinzuweisen scheinen“, sagte Dmitri Denisov vom Fermilab in Batavia bei Chicago der Nachrichtenagentur dpa.

Eine Analyse der am dortigen Tevatron-Beschleuniger gesammelten Daten war am Mittwoch auf einer Konferenz im italienischen La Thuile vorgestellt worden.

Das Ergebnis stützt sich auf „hunderte Billionen Experimente“, die in mehr als einem Jahrzehnt am Tevatron-Beschleuniger des Fermilabs durchgeführt wurden, heißt es in einer Erklärung des staatlichen US-Forschungslabors.

Das Higgs-Teilchen - auch Higgs-Boson genannt - gilt als letztes noch fehlendes Puzzlestück im derzeit gültigen Standardmodell der Teilchenphysik. Die Masse der Elementarteilchen ließe sich ohne es nicht erklären. Ohne Higgs würde die Suche nach „neuen Dimensionen in Raum und Zeit“ beginnen, sagte die Teilchen-Physikerin Anadi Canepa vom kanadischen Nationallabor Triumf in Vancouver der dpa.

Die Daten des seit September stillgelegten Tevatron-Beschleunigers siedeln das Higgs nach Angaben des zuständigen Projektleiters Rob Roser in einem Massebereich zwischen 115 und 135 Gigaelektronenvolt (GeV) an. In etwa diesem Bereich war auch das Europäische Teilchenforschungszentrum Cern bei Genf auf Hinweise gestoßen. Physiker geben die Masse von Elementarteilchen häufig als Energieäquivalent an - die übliche Einheit dafür ist das Elektronenvolt (eV).

Cern jagt mit zwei Forscherteams nach dem Higgs und glaubt, den Nachweis noch in diesem Jahr erbringen zu können. Die Europäer verfügen durch den modernen LHC (Large Hadron Collider) des Cern über das fast vierzigfache Datenmaterial der Amerikaner. Sie könnten das Higgs-Rätsel laut Roser schon im Juli bei der nächsten Konferenz der Teilphysiker in Melbourne (Australien) auflösen. Capena, die an den Cern-Versuchen beteiligt ist, sagte, der Nachweis des Higgs mit größerer Sicherheit dürfte bis Ende 2012 möglich sein. Die Messwerte des Fermilabs reichten als Nachweis nicht aus und könnten sich immer noch als Fluktuation herausstellen. „Es liegt noch eine Menge Arbeit vor uns, bevor wir mit Sicherheit sagen können, das Higgs existiert“, räumte auch Denisov ein.

Direkt beobachten lässt sich das Higgs-Teilchen nicht. Sein Nachweis ist nur über seine Zerfallsprodukte möglich. Am LHC werden dafür nahezu lichtschnelle Wasserstoffkerne (Protonen) aufeinander geschossen. Bei den Kollisionen entstehen etliche Folgeteilchen. Benannt nach dem britischen Physiker Peter Higgs, der es 1964 vorhersagte, wird das Teilchen seit vielen Jahren gesucht. Das Universum wird dem Modell nach von einem sirupähnlichen Higgs-Feld durchzogen, das Elementarteilchen bremst und ihnen so ihre Masse verleiht. „Wenn wir nicht so etwas wie das Higgs hätten, das Masse verleiht, sähe die Welt ganz anders aus“, so Giovanni Punzi vom Institut für Kernphysik in Pisa (Italien).

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