Physiker finden weitere klare Hinweise auf Higgs-Teilchen

Genf/Hamburg (dpa) - Ein Rätsel der Wissenschaft könnte bald gelöst sein: Physiker kreisen das mysteriöse Higgs-Teilchen immer weiter ein. Nun melden sie einen weiteren Erfolg auf der Suche nach dem letzen unbekannten Baustein der Materie, der oft auch Gottesteilchen genannt wird.

„Das neue Teilchen sieht mehr und mehr aus wie ein Higgs-Teilchen“, teilte das europäische Kernforschungszentrum Cern am Donnerstag in Genf mit. Das winzige Higgs-Teilchen gilt als letzter noch unentdeckter Baustein der Materie.

Es sei aber noch nicht endgültig klar, ob es sich tatsächlich um das im Standardmodell der Materie vorhergesagte Higgs-Teilchen handle, oder ein um anderes, räumten die Teams der Cern-Forschungsprojekte Atlas und CMS ein. „Die Antwort auf die Frage wird noch Zeit brauchen.“

Der Nachweis für die Existenz des letzten unbekannten Bausteins der Materie wäre eine wissenschaftliche Sensation. Nach jahrelangen Auswertungen von Billiarden von Teilchenkollisionen sehen sich die Forscher so nahe an der Lösung wie noch nie.

Die neuen Messdaten bekräftigen Ergebnisse vom vergangenen Juli. Damals sagten die Cern-Wissenschaftler nach Experimenten im 27 Kilometer langen Ringtunnel des Teilchenbeschleunigers LHC (Large Hadron Collider), dass sie das gesuchte Higgs-Teilchen höchstwahrscheinlich gefunden haben. Bei neuen Messungen nutzten die Wissenschaftler zusätzliche Messwerte. „Diese, kombiniert mit den gemessenen Interaktionen des neuen Partikels mit anderen Partikeln, deuten stark darauf hin, dass es sich um ein Higgs-Teilchen handelt“, erläutern die Wissenschaftler.

CMS-Sprecher Joe Incandela zeigte sich überzeugt: „Für mich ist es klar, dass wir es mit dem Higgs-Boson zu tun haben, obwohl wir weiterhin einen langen Weg vor uns haben, bis wir wissen, welche Art von Higgs-Boson es ist.“

„Wir können uns jetzt ziemlich sicher sein, dass wir ein Higgs-Teilchen haben“, meinte auch Teilchenphysikdirektor Prof. Joachim Mnich vom Beschleunigerzentrum Desy in Hamburg. Auf das Higgs-Teilchen weise eine Entdeckung zum sogenannten Spin hin, der oft mit der Eigendrehung eines Teilchens verglichen wird. „Die herausragende Eigenschaft eines Higgs-Bosons ist, dass es keinen Spin hat, und die neuen Ergebnisse deuten stark darauf hin.“

Um welches Higgs-Teilchen es sich handeln könnte, ist jedoch auch nach Meinung Mnichs noch unklar. „Ich bin sehr gespannt, ob es sich um das Standardmodell-Higgs handelt, oder ob es der erste experimentelle Hinweis auf eine darüberstehende Theorie ist.“ Unter anderem haben Physiker das Modell der Supersymmetrie entwickelt, bei dem jedes bekannte Teilchen einen Gegenpart hat.

„Die neuen Entdeckungen betätigen einmal mehr die Notwendigkeit der Grundlagenforschung“, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, die den Forschern gratulierte. Mit dem Teilchen öffne sich ein Tor zu einem ganz neuen Forschungsgebiet, schreibt das Ministerium. „Gibt es das Higgs-Feld wirklich oder gibt es nur einzelne Higgs-Teilchen? Hat das Higgs-Feld die vorhergesagte unvorstellbar hohe Energiedichte und woher kommt diese Energie?“. Deutschland fördere das Cern mit jährlich rund 180 Millionen Euro und trage damit rund 20 Prozent der Kosten. Hinzu kämen noch über 41 Millionen Euro für die beiden Experimente ATLAS und CMS von 2012 bis 2015.

Benannt wurde das Teilchen nach dem britischen Physiker Peter Higgs (83), der es 1964 vorhersagte. Ein Nachweis ist nur mit riesigen Teilchenbeschleunigern möglich. Die mit dem Higgs-Teilchen erklärbare Materie macht lediglich vier Prozent des Universums aus. Hinzu kommt die mysteriöse Dunkle Materie mit 23 Prozent und die postulierte Dunkle Energie mit 73 Prozent.

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