Ozeanversauerung beeinträchtigt viele Meeresbewohner

Bremerhaven/London (dpa) — Die Versauerung der Ozeane wird die marinen Ökosysteme im Laufe des Jahrhunderts womöglich tiefgreifend verändern.

Korallen, Stachelhäuter, Weich- und Krebstiere sowie Fische — in allen Gruppen gibt es nach einer neuen Studie Arten, die empfindlich auf den infolge des Klimawandels erhöhten Eintrag von Kohlendioxid ins Meerwasser reagieren.

Das berichten Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven im Fachblatt „Nature Climate Change“. Wahrscheinlich werde sich langfristig die Artenzusammensetzung der Meere verändern.

Die Versauerung der Ozeane ist eine Folge der erhöhten Kohlendioxid (CO2)-Emissionen in die Atmosphäre. Die Ozeane nehmen nämlich gut ein Viertel des ausgestoßenen CO2 auf. Im Wasser reagiert das Kohlendioxid zu Kohlensäure. Dieses lässt den pH-Wert des Wassers sinken, die Meere werden saurer. Expertenschätzungen zufolge wird der ph-Wert der Meere bis 2050 um etwa 0,26 Einheiten unter den vorindustriellen Wert sinken. Bis Ende des 21. Jahrhunderts ist ein Absinken um 0,4 bis 0,5 Einheiten denkbar — je nachdem, wie stark der Kohlendioxid-Ausstoß weltweit steigt.

Forscher haben in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen, dass dies vermutlich Folgen für die Lebewesen im Meer haben wird und an einzelnen Arten bereits Auswirkungen festgestellt. Das Ausmaß der Bedrohung insgesamt ist aber bisher nicht gut untersucht. Astrid Wittmann und Hans-Otto Pörtner werteten nun 167 wissenschaftliche Studien aus, in denen insgesamt 153 Arten betrachtet worden waren. „Wir haben beispielsweise untersucht, ob sich der Stoffwechsel, das Wachstum, die Kalkbildung oder das Verhalten bei erhöhten Kohlendioxidkonzentrationen verändern“, erläutert Pörtner.

Die Neuauswertung zeigte, dass bei den Wirbellosen vor allem Korallen, Weichtiere und Stachelhäuter, wie Seesterne und Seeigel unter der Versauerung leiden. Krebstiere scheinen hingegen robuster zu sein. Dass die verschiedenen Tiergruppen unterschiedlich auf die Versauerung reagierten liege daran, dass sich ihre Körperfunktionen so grundlegend unterschieden, schreiben die Wissenschaftler. Fische könnten zum Beispiel sinkende pH-Werte in ihrem Blut wieder ausgleichen. Korallen hingegen fehlten die physiologischen Mechanismen, um erhöhte Kohlendioxid-Werte zu kompensieren. Dies beeinträchtige zum Beispiel die Kalkbildung.

Dass die Fische scheinbar unbeeindruckt im sauren Wasser schwimmen, überraschte das Team. Untersuchungen zufolge reagieren zumindest die Larven der Fische empfindlich auf die Versauerung. Pörtner: „Nicht alle Effekte, die wir derzeit messen, sind möglicherweise langfristig für das Schicksal einer Art entscheidend.“

Die Forscher verglichen ihre Daten anschließend mit dem Massensterben der Arten vor etwa 250 und vor 55 Millionen Jahren. Damals war die Kohlendioxid-Konzentration ebenfalls hoch und Korallen verschwanden drastisch, während die Fische sich gut anpassen konnten.

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