Manche Pestizide verringern den Speisezettel der Vögel deutlich

Nimwegen (dpa) - Spritzmittel in der Landwirtschaft können die Zahl der Singvögeln vermindern, auch wenn sie für die Tiere nicht direkt schädlich sind.

Manche Pestizide verringern den Speisezettel der Vögel deutlich
Foto: dpa

Caspar Hallmann von der Radboud-Universität im niederländischen Nimwegen und Kollegen haben die Auswirkungen des verbreiteten und umstrittenen Imidacloprid genauer untersucht und präsentieren ihr Ergebnis im Fachjournal „Nature“.

Die Forscher fanden heraus, dass bei einer Konzentration des Pestizids Imidacloprid von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter Oberflächenwasser die Anzahl der Vögel jährlich um 3,5 Prozent zurückging. Das Team hatte 15 Arten untersucht, darunter Stare und Schwalben. 9 davon ernähren sich ausschließlich von Insekten und 6 füttern ihren Nachwuchs damit.

Imidacloprid schädigt das Nervensystem von Insekten und anderen wirbellosen Tieren, gilt aber den Forschern zufolge als weitgehend unschädlich für Vögel und Säugetiere. Den Grund für den Rückgang der Vogelpopulationen sehen die Wissenschaftler darin, dass das Pestizid den Vögeln einen Teil ihrer Nahrungsgrundlage nimmt.

Imidacloprid und andere Substanzen aus der Gruppe der Neonicotinoide seien sehr langlebig und könnten auch vielen Insekten schaden, die nicht Feinde der Nutzpflanzen seien, schreibt Dave Goulson von der britischen Sussex University in einem „Nature“-Kommentar. Nur etwa fünf Prozent des Wirkstoffs gelange auf die zu schützende Pflanze.

Ein kleiner Teil verfliege als für Insekten giftiger Staub, der Großteil lande aber im Boden und verbreite sich mit dem Bodenwasser auch in nahe Gewässer. Er könne dort ebenso Insekten beeinträchtigen. Da nach über 2,5 Jahren oftmals erst die Hälfte der Neonicotionoide abgebaut sei, reicherten sie sich in der Umwelt an und könnten von anderen Pflanzen aufgenommen werden. Dies und die gute Löslichkeit in Wasser machten Neonicotinoide für viele Insekten besonders gefährlich.

Hallmann und Kollegen stützten sich bei ihrer Studie auf zwei langjährige niederländische Messreihen: Die lokale Konzentration von Imidacloprid-Rückständen in den Jahren 2003 bis 2009 sowie die Anzahl von Singvögeln in den Jahren 2003 bis 2010. Der Abgleich ergab einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Pestizidanwendung und der Verringerung des Vogelbestands. Mit zwei weiteren Untersuchungen schlossen die Wissenschaftler aus, dass der Rückgang andere Ursachen haben könnte: Weder habe der beobachtete Trend schon vor dem Einsatz von Imidacloprid bestanden, noch sei eine Veränderung der Flächennutzung für die geringere Anzahl von Vögeln verantwortlich.

Die künftige Gesetzgebung solle die potenziellen Folgeeffekte von Imidacloprid auf Ökosysteme in Betracht ziehen, fordern Hallmann und sein Team. Wie bereits sehr geringe Mengen Imidacloprid und ähnlicher Stoffe auf Bienen wirken, hat kürzlich eine Studie der Freien Universität Berlin gezeigt: Viele Bienen verloren die Orientierung und fanden nicht oder nur auf Umwegen zum Stock zurück.

Nach Auskunft von Jörn Wogram vom Umweltbundesamt ist das Beizen von Saatgut mit Imidacloprid in der EU mittlerweile verboten, Ausnahmen sind Wintergetreide und Saatgut für Gewächshäuser. Gespritzt werden darf das Pestizid jedoch uneingeschränkt bei Nutzpflanzen, die als nicht attraktiv für Bienen eingestuft wurden.

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