Interview: Navi im Gehirn „fantastische Entdeckung“

Stockholm (dpa) - Für die Erforschung des menschlichen Orientierungssinnes werden in diesem Jahr drei Forscher mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet.

Göran K. Hansson, Sekretär des Stockholmer Nobel-Komitees, erklärt im dpa-Interview, wie unser GPS-System uns den Weg weist und ob Frauen wirklich einen schlechteren Orientierungssinn haben als Männer.

Frage: Was ist das Faszinierende an der Entdeckung von John O'Keefe, May-Britt und Edvard Moser?

Antwort: Ich finde, das ist eine fantastische Entdeckung. Das Gehirn hat eine Art GPS-System, das uns dabei hilft, unseren Weg zu finden. Darin liegt die Schönheit dieser Entdeckung. Außerdem ist es das erste Mal, dass wir eine höhere Hirnfunktion verstehen, eine, die bis zu unserem Bewusstsein reicht und zeigt, wie dieses in den Verbindungen zwischen den Nervenzellen verdrahtet ist.

Frage: Wenn wir doch ein eingebautes Navi im Gehirn haben - wieso verlaufen wir uns trotzdem?

Antwort: Vielleicht haben wir es dann abgeschaltet (lacht). Es kann individuelle Unterschiede geben, darüber wissen wir noch kaum etwas. Ich gehe davon aus, dass wir in Zukunft mehr darüber lernen werden.

Frage: Haben die Forscher denn herausgefunden, ob das GPS im Gehirn je nach Geschlecht bei Männern oder Frauen besser funktioniert?

Antwort: Auch darüber wissen wir noch sehr wenig. Es gibt ja immer Beschwerden, dass das andere Geschlecht einen schlechten Orientierungssinn hat. Das stimmt wahrscheinlich nicht. Aber wir werden es herausfinden!

Frage: Mit May-Britt und Edvard Moser haben jedenfalls ein Mann und eine Frau den Medizin-Preis bekommen - und zum ersten Mal Norweger.

Antwort: Ja, und es ist erst das vierte Mal in der Geschichte des Nobelpreises, dass ein Ehepaar gemeinsam ausgezeichnet wird. Die ersten waren Marie und Pierre Curie.

Frage: Welche Rolle haben die Mosers bei der Entdeckung gespielt?

Antwort: John O'Keefe hat die Zellen entdeckt, die eine Karte der Umgebung formen. Die Mosers haben herausgefunden, dass es andere Zellen gibt, die ein Koordinatensystem kreieren - und das ergibt zusammen mit der Karte ein vollständiges GPS-System.

Frage: Haben die Preisträger zusammengearbeitet?

Antwort: Die Mosers haben erst in Edinburgh und dann in London gearbeitet und dort um 1995/1996 einige Zeit in John O'Keefes Labor verbracht. Sie haben in dieser Zeit zusammengearbeitet. Sie haben nichts zusammen veröffentlicht, aber sie waren in dieser Zeit zusammen im Labor. (...) Die Entdeckung haben die Mosers später in Trondheim gemacht.

Frage: Die drei Wissenschaftler haben den Preis für ihre grundlegenden Entdeckungen bekommen. Wie könnten ihre Forschungen zum GPS-System irgendwann in der Medizin von praktischem Nutzen sein?

Antwort: Wenn wir mehr über eine Krankheit wie zum Beispiel Alzheimer wissen, bei der diese Funktion beschädigt ist, haben wir auch bessere Möglichkeiten, eine Behandlung dafür zu entwickeln. Aber da sind wir noch nicht. Das wird noch Zeit brauchen.

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