Brustkrebsgen auch bei Männern - Ärzte raten zu erhöhter Vorsorge

München (dpa) - Auch Männer haben das gefürchtete „Brustkrebsgen“ - und auch bei ihnen erhöht es das Risiko für Krebs. Viele Frauen lassen sich vorsorglich die Brüste abnehmen. Aber es gibt Alternativen zu der radikalen Entscheidung.

Bei Thomas begann es mit einem Knubbel nahe der Brustwarze. Der Arzt schickte den 38-Jährigen zur Mammografie. Ergebnis: Brustkrebs. Es sind nur einige hundert Männer jährlich, die diese Diagnose bekommen - doch Mediziner warnen: Diejenigen, die das Brustkrebsgen BRCA2 haben, sind gefährdet.

Bis zu 20 Prozent dieser Männer erkranken an Brustkrebs, sagt die Direktorin der Frauenklinik am Uniklinikum Rechts der Isar in München, Marion Kiechle. Sie haben zudem ein erhöhtes Risiko für Prostata- und Darmkrebs und sollten an entsprechenden Vorsorgeprogrammen teilnehmen. „Man wird bei diesen Männern auch die Brust anschauen und sie zur regelmäßigen Brustuntersuchung schicken.“ Bei Männern folgt auf eine Krebsdiagnose zwar auch eine Therapie, vorsorglich werden die Brüste Kiechle zufolge aber nicht entfernt.

Seit dem Bekenntnis der US-Schauspielerin Angelina Jolie, die sich wegen ihrer erblichen Belastung beide Brüste amputieren ließ, sind aber vor allem viele Frauen in Sorge. Praxen und Zentren erleben einen Ansturm.

Rund 2500 Teilnehmer befassen sich bis Samstag (29. Juni) in München auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) mit therapeutischen und diagnostischen Fortschritten. Brustkrebs ist mit über 70 000 Neuerkrankungen jährlich der häufigste Krebs bei Frauen. Jede Achte erkrankt daran. Bei genetisch belasteten Frauen liegt das Risiko besonders hoch.

Die Ärzte warnen aber vor Hysterie. Mutierte Gene sind nur für fünf bis zehn Prozent aller Fälle verantwortlich. „Das Ziel muss sein, dass sich Frauen genau informieren, am besten in einem von der Deutschen Krebsgesellschaft und der DGS zertifizierten Zentrum“, sagte Andreas Schneeweiss vom Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen des Uniklinikums Heidelberg und DGS-Vorstandsmitglied.

60 Prozent der Patientinnen, bei denen die Brustkrebsgene entdeckt werden, lassen sich am Klinikum Rechts der Isar die Brüste vorsorglich abnehmen. Ob die Offenbarung Jolies die Zahlen steigen ließ, ist noch unklar. 80 Prozent der Betroffenen lassen sich nach Abschluss der Familienplanung die Eierstöcke entfernen, weil sie auch für Krebs in diesem Bereich ein erhöhten Risiko tragen. Dies greife nicht so tief in das Selbstverständnis der Frauen ein. „Man sieht nichts davon.“

Allerdings kann die Brust schon bei der Abnahme rekonstruiert werden. „Die Patientin muss das Trauma der Amputation nicht so stark erleben“, sagt Kongresspräsident Axel-Mario Feller. Keine Rekonstruktion könne einer Frau die Brust mit allen Funktionen und Gefühlen wiedergeben. Dennoch seien die Methoden so gut, dass die Frauen im Alltag vergessen könnten, dass sie amputiert sei. Bei genetischer Vorbelastung gibt es aber auch Alternativen zu der radikalen OP-Entscheidung wie etwa engmaschige Vorsorge.

In England will die Gesundheitsbehörde National Institute for Health and Care (NICE) als Alternative erblich belasteten Frauen empfehlen, fünf Jahre vorbeugend die Medikamente Tamoxifen oder Raloxifen zu nehmen. Studien hatten ergeben, dass Tamoxifen bei diesen Frauen über 50 Jahre und nach den Wechseljahren das Brustkrebsrisiko um etwa 50 Prozent reduziert, bei der Einnahme von Raloxifen um etwa 38 Prozent.

In Deutschland sind die Medikamente nicht zur Vorbeugung von Brustkrebs zugelassen. Tamoxifen ist laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur als Zusatztherapie nach einer Erstbehandlung von Brustkrebs genehmigt. Der Wirkstoff von Raloxifen hat eine Zulassung zur Behandlung und Vorbeugung von Osteoporose bei Frauen nach der Menopause.

Dennoch seien in Einzelfällen Ausnahmen auch zur Vorbeugung von Brustkrebs möglich, erläuterte Prof. Anton Scharl (Klinikum Amberg) von der Arbeitsgruppe Gynäkologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft. Bei der Einzelfallentscheidung müsse das individuelle Krebsrisiko und das Risiko von Nebenwirkungen abgewogen werden. Dazu zählen unter anderem Thrombosen und Embolien.

Die Münchner Klinikchefin Kiechle verweist auf eine weitere Prävention allgemein bei Brustkrebs: Sport und Ernährungsumstellung. „Diese Maßnahmen haben fulminante Effekte“, sagt Kiechle. „Lebensstil ändern und moderates Sportprogramm senken Rückfallrisiko und Sterblichkeit um 50 Prozent.“ Ob der Effekt auch beim erblichen Brustkrebs so groß ist, soll nun eine Studie klären.

Thomas, der zum Zeitpunkt seines Interneteintrags im Forum 2010 bereits sechs Jahre ohne Rückfall überstanden hatte, macht den Leidensgenossen Mut: „Das Leben endet nicht, sobald man die Diagnose Krebs bekommt. Es geht weiter.“

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