Arktische Eisschmelze begünstigt Sauerstoffmangel in der Tiefe

Bremerhaven/Washington (dpa) - Wenn im Sommer große Mengen arktischen Meereises schmelzen, kann das zu Sauerstoffmangel am Meeresboden führen.

Verantwortlich dafür sind Algen, die an der Unterseite des Eises wachsen. Schmilzt es, so sinken die Algen innerhalb kurzer Zeit bis auf den Meeresgrund in mehreren Tausend Metern Tiefe. Das berichten Forscher unter Leitung des Alfred Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI/Bremerhaven) im US-Journal „Science“. Seegurken und andere Tiefseebewohner fressen einen Teil der Algen. Bakterien zersetzen die Reste und zehren dabei den Sauerstoff am Meeresgrund auf. In der dunklen Tiefe können Lebewesen keinen Sauerstoff produzieren.

Ein internationales Team um Prof. Antje Boetius vom AWI ist im Spätsommer 2012 mehr als zwei Monate lang mit dem Forschungsschiff „Polarstern“ durch die Zentralarktis gefahren. Die Forscher wollten herausfinden, wie sich die Arktis und das Meeresleben durch die globale Erwärmung verändert. „Viel schneller als bisher vermutet“, sagte Boetius. Bis zu 10 Prozent des Meeresbodens in mehr als 4000 Metern Tiefe seien von Algenklumpen mit 1 bis 50 Zentimeter Durchmesser bedeckt.

Erstmals maßen die Experten in der eisbedeckten Arktis die Sauerstoffkonzentration direkt am Tiefseeboden. Bakterien hatten begonnen, die Algen zu zersetzen und dabei den Sauerstoffgehalt im Sediment deutlich verringert. Der Meeresgrund in benachbarten algenfreien Bereichen war dagegen bis zu einer Tiefe von 80 Zentimetern durchlüftet und enthielt kaum pflanzliche Überreste. Wo die Algen abgebaut wurden, schrumpfte die belüftete Zone in kurzer Zeit auf wenige Millimeter zusammen. AWI-Forscher Frank Wenzhöfer verwies darauf, dass der Sauerstoffmangeln vor allem im Boden nicht aber im Wasserbereich nachzuweisen ist.

Normalerweise sinken absterbende Algen nur sehr langsam zum Meeresboden und werden zum Großteil unterwegs gefressen. An der Eisunterseite gefundene lange Algenketten verklumpen hingegen und sinken schnell zum Meeresboden, wenn Eisränder oder -schollen schmelzen. Der Klimawandel treffe das Ökosystem somit gleich zweifach, fasst Boetius zusammen: „Die Erwärmung der Arktis führt zu einer Abnahme der Eisdicke, und damit haben die Algen an der Eisunterseite mehr Licht zum Wachsen zur Verfügung.“ Ihre Masse steige somit an. Zudem folge aus der Erwärmung auch ein stärkerer Eisrückgang in der Fläche.

„Wir konnten erstmals zeigen, dass die Erwärmung und die damit verbundenen physikalischen Veränderungen in der Arktis schnelle Reaktionen im gesamten Ökosystem bis in die Tiefsee hervorrufen“, teilte Boetius mit. Die Tiefsee habe bisher als träges System gegolten, das erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung von der globalen Erwärmung betroffen sei.

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