Falscher Alarm Wie Deichmann-Schuhe für Ärger beim Einkaufen sorgen

Düsseldorf · Bei Deichmann gekaufte Schuhe können in anderen Geschäften für Verwirrung sorgen. Für Kunden kann das peinlich werden.

 In vielen Geschäften müssen die Kunden am Ende durch eine Art Sicherheitsschleuse, wo ein Alarm ausgelöst werden kann.

In vielen Geschäften müssen die Kunden am Ende durch eine Art Sicherheitsschleuse, wo ein Alarm ausgelöst werden kann.

Foto: picture alliance / Marc Tirl/dpa/Marc Tirl

Mit Sicherungsetiketten an ihren Waren versuchen Ladengeschäfte Diebstahl vorzubeugen. Wird das Etikett nicht entfernt oder nicht deaktiviert, so gibt es bei Verlassen des Geschäfts ein akustisches Signal, ein Dieb fliegt auf. So weit die Idee, an der es wohl kaum etwas auszusetzen gibt. Ralf Schmidt (Name geändert), treibt die Sache aber dennoch auf die Palme. Und das kommt so:

Schmidts Frau Anna hatte bei der Handelskette Deichmann Schuhe gekauft. Die darin verbaute Diebstahlssicherung wurde an der Kasse zwar deaktiviert, so dass Anna Schmidt das Geschäft ohne Probleme verlassen konnte. Kein Alarmsignal wurde ausgelöst. Doch eben das passierte einige Tage später in einem anderen Ladengeschäft, das sie mit ihren neuen Schuhen betreten hatte. Dort erzählte ihr eine Verkäuferin, dass Deichmann Chips in den Schuhen fest verbauen lasse, und dass es damit immer mal wieder Probleme gebe.

„Meine Frau piepte regelmäßig
in anderen Geschäften“

Das Ehepaar Schmidt ging zurück in die Deichmann-Filiale, wo ein erneuter Versuch der Deaktivierung des Sicherungsetiketts unternommen wurde. Auch danach konnte Anna Schmidt das Schuhgeschäft wieder verlassen, ohne dass es am Ausgang ein Signal gab. Doch eben das passierte andernorts dann doch wieder. „Meine Frau piepte regelmäßig in anderen Geschäften“, wie Ralf Schmidt es ausdrückt. „Und es gab peinliche Verdächtigungen.“

Schmidt stellte sich nicht damit zufrieden, dass seine Frau schließlich das Geld für den Kauf der Schuhe erstattet bekam. Nun wollte er das Problem auch grundsätzlich klären. Doch als ihn die Antwort auf seine an Deichmann gerichtete Beschwerde erreichte, brachte ihn dies umso mehr in Rage. Hieß es dort doch unter anderem: „Moderne, kundenorientierte Unternehmen sind dazu übergegangen, bei Alarmauslösungen nicht mehr laut und hektisch zu reagieren, sondern auf Basis einer grundsätzlichen Unschuldsvermutung in Ruhe nach den Auslösern für den Alarm zu suchen. Auch in der Gesellschaft wandeln sich hier die Ansichten: Bei einem Auslösen von Warensicherungsanlagen gehen immer mehr Menschen von einer technischen Problematik und nicht mehr von einem Ladendiebstahl aus.“

Schmidt sieht das anders: „Um Personalkosten für die Diebstahlsicherung der Ware vor Ort zu sparen, nimmt Deichmann bewusst in Kauf, dass Kunden, die Schuhe kaufen, unschuldig des Ladendiebstahls verdächtigt werden.“ Die Unschuldsvermutung sei für manch einen Mitarbeiter oder Ladendetektiv ein Fremdwort.

Wie Deichmann auf
die Vorwürfe reagiert

Ulrich Effing, Chef der Unternehmenskommunikation von Deichmann, bestätigt gegenüber dieser Zeitung, dass „unsere Ware mit sogenannten RF-Chips gesichert ist“. Diese würden bereits bei der Produktion mit den Schuhen verbunden. Die Entsicherung beim Kaufvorgang an der Kasse sei ein Routinevorgang, der in der Regel sehr zuverlässig funktioniere. Effing: „Wenn eine Entsicherung nicht erfolgreich war – was nach unserer Beobachtung selten geschieht – können wir uns dafür nur in aller Form entschuldigen.“  Richtig sei aber auch, dass es vorkommen kann, „dass ein bei uns entsicherter Schuh in einem anderen Geschäft ein Signal auslöst.“ Es könne durchaus sein, dass entsicherte Waren an Sicherungsantennen anderer Anbieter mit anderen Technologien reagieren. Effing: „Das geschieht auch bei uns gelegentlich mit Waren anderer Anbieter. Unsere Mitarbeiter werden dahingehend geschult, zunächst von der Unschuldsvermutung und einem technischen Problem auszugehen. Ähnliche Tendenzen beobachten wir auch bei anderen Handelsunternehmen.“

Die Frage, ob denn der Kunde selbst etwas tun könne, um den Chip  zu deaktivieren, verneint Effing. „Das ist normalerweise nicht möglich und auch nicht gewollt. Eine Warensicherung, die man selbst außer Funktion setzen könnte, wäre keine Warensicherung mehr.“ Der Chip sei fest mit dem Schuh verbunden, Details wolle man aus verständlichen Gründen aber nicht öffentlich machen.

Leider sei es so, dass es immer wieder Versuche gibt, Ware unbezahlt aus dem Laden mitzunehmen, sagt Effing. „Wir wollen mit unseren Maßnahmen die sehr große Anzahl unserer ehrlichen Kunden schützen. Leider ist kein System 100prozentig perfekt. Wir arbeiten aber ständig an Verbesserungen. Problemfälle seien in den letzten Jahren kontinuierlich rückläufig.

Wie aber soll man als Kunde, der weiß, dass er nichts Böses angestellt hat, reagieren? Schließlich sieht es für einen Ladenbesitzer oder Kaufhausdetektiv erst einmal danach aus, dass derjenige, der ein Alarmsignal auslöst, möglicherweise gerade einen Warendiebstahl begeht. Und in einem solchen Fall gibt es bekanntlich für jeden, und damit nicht nur für die Polizei, das Festnahmerecht nach § 127 Strafprozessordnung.

Rechtsexperte Udo Vetter: Rat an Kunden und Warnung an Ladenbesitzer

Doch so einfach wird es dem Ladeninhaber oder Kaufhausdetektiv durch dieses „Jedermansrecht“ nun auch wieder nicht gemacht, sagt Udo Vetter. Er ist Fachanwalt für Strafrecht und Betreiber eines Internet-Blogs, der täglich über allgemeine Rechtsprobleme berichtet (lawblog.de). Vetter betont, dass der § 127 Strafprozessordnung voraussetzt, dass jemand „auf frischer Tat betroffen“ wurde. Nur in einem solchen Fall darf er festgehalten werden, bis die Polizei den Fall weiter klären kann. „Das ist hier gerade nicht so“, so Vetter, „wir haben ja gar keine ,frische Tat‘, sondern letzten Endes nur einen falschen Verdacht“.

Der Kunde, der sich zu Recht keines Fehlers bewusst ist, könne im Prinzip weitergehen und das Ladengeschäft verlassen. Und wenn dann der Ladeninhaber oder Kaufhausdetektiv ihn dennoch festhalte, gegebenenfalls sogar körperlich überwältige, müsse er dafür dann am Ende auch das Risiko tragen. „Er kann sich einer Nötigung, Freiheitsberaubung oder auch einer Körperverletzung schuldig machen, je nach Einzelfall. Ihm drohen dann seinerseits ein Strafverfahren oder auch Schmerzensgeldansprüche“, sagt Vetter.

Doch auch aus Sicht des Strafverteidigers ist es nicht ratsam, in jedem Fall die Situation eskalieren zu lassen. „Wenn aber jemand von mir verlangt, dass ich hinnehmen soll, dass er meine Tasche durchsucht oder mich abtastet, so würde ich das keinesfalls ohne einen neutralen Zeugen dulden“, sagt Anwalt Vetter. „Dann sollte man lieber darauf bestehen, dass der Ladenbesitzer die Polizei zur Klärung des Vorfalls ruft.“

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