Weniger Fesseln für Alzheimer-Erkrankte

Alzheimer Gesellschaften fordern, mehr Freiheit für Demenzpatienten zuzulassen.

Weniger Fesseln für Alzheimer-Erkrankte
Foto: dpa

Düsseldorf/Grevenbroich. Grevenbroich ist ein „weißer Fleck“ auf der Landkarte von Regina Schmidt-Zadel. Die Vorsitzende des Landesverbands der Alzheimer Gesellschaften NRW meint damit, dass dort Patienten von Pflegeheimen nicht fixiert werden. Die Grevenbroicher Pflegeheime haben sich vor drei Jahren geschlossen dem „Werdenfelser Weg“ angeschlossen — einem Ansatz, der für weniger Fixierung von Demenz-Patienten steht.

In Deutschland gibt es etwa zwei Millionen Demenz-Patienten, viele davon sind an Alzheimer erkrankt. In NRW gibt es schätzungsweise 300 000 bis 400 000 solcher Patienten. Davon befinden sich laut Alzheimer NRW 20 bis 40 Prozent in Pflegeheimen.

Bis heute werden immer noch zahlreiche Patienten fixiert — also per Gurt oder Bettgitter ans Bett gefesselt oder durch Medikamente sediert. Zahlen dazu gibt nicht. Die Dachgesellschaft sagt, es gebe eine große Spannbreite. Da seien ebenso Heime, in denen vier Prozent der Patienten gefesselt würden wie solche, in denen 60 oder gar 80 Prozent Demenzerkrankter fixiert würden. Wobei die Entscheidung immer einem Richter obliegt, der aber auf ärztliche Atteste angewiesen ist.

Der Verband will solche Maßnahmen reduzieren. Dazu lud er gestern in den Landtag NRW zu einem Symposium mit Fachleuten ein. Auch Abgeordnete kamen zum Dialog. Der Verband fordert, Maßnahmen zur Reduzierung in das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten einzubeziehen, das reformiert werden soll. CDU-Fraktionschef Armin Laschet sagte, dass die Landesregierung politisch die Rahmenbedingungen für diesen Wandel setzen müsse.

Regina Schmidt-Zadel sagt, dass häufigste Argument für Fixierungen sei die Sicherheit. Patienten, die geflohen oder gestürzt seien, würden gefesselt, um eine Wiederholung zu vermeiden. Teils mit fatalen Folgen. Sie nennt das Beispiel eines Mannes, der zwei Jahre fixiert worden war und das Laufen verlernt hatte. Generell, so Schmidt-Zadel, erhöhe eine Fixierung eher das Risiko zu stürzen, weil sich dadurch die Muskulatur verringere. Auch eine Studie der Evangelischen Fachhochschule Freiburg geht davon aus, dass Patienten weniger fallen, wenn sie nicht fixiert werden.

Der Verband fordert, Alternativen zu probieren, wie es im „Werdenfelser Weg“ passiert: Bewegungstraining, eine besser strukturierte Atmosphäre in den Heimen und mehr Mut, auf den Einzelfall einzugehen. Außerdem gebe es Hilfsmittel wie Niederflurbetten oder gepolsterte Hosen, die Verletzungen vermeiden helfen. All das führe nicht zu mehr Personalbedarf, so Schmidt-Zadel.

Häufig sei der Freiheitsentzug ein Zeichen von Überforderung und Angst auf Seiten des Pflegepersonals. Das fürchte, selbst belangt zu werden, wenn etwas passiert. Harald Brauer, Psychiater aus dem Vorstand des Verbands, fordert, die Zusammenarbeit der zur Fixierung nötigen Entscheidungsträger zu stärken — also etwa Amtsgerichte, Heimaufsicht und Angehörige. Damit könnte die durch Personalmangel überforderten Pfleger entlastet werden.

In Grevenbroich tendiert die Fixierungsquote inzwischen teilweise gegen Null.

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