Weihnachtslieder: Als die Kirche zum Tanzsaal wurde

Im Mittelalter ging es zum Fest hoch her.

Leipzig. Das Trällern zu Weihnachtsliedern aus der Konserve löst das traditionelle Singen unterm Christbaum ab. „Heute werden die Lieder vor allem mitgesungen“, sagt der Professor für Historische Musikwissenschaft an der Uni Leipzig, Helmut Loos.

Es sei ein Phänomen unserer Zeit, dass in der Adventszeit nicht mehr bewusst gesungen werde. „Viele Leute merken aber gar nicht, dass sie singen, wenn die Musik aus dem Radio kommt“, erklärte Loos.

„Das Weihnachtslied ist das älteste volkssprachige Lied, das wir überhaupt in der Musikwissenschaft kennen“, erzählte Loos. Hoch hergegangen sei es vor allem im Mittelalter.

„Damals wurden die Leute angehalten, bitte nicht so wild zu singen und beim Tanzen in der Kirche — das gehörte damals noch dazu — nicht über die Krippe zu springen.“ Vom ersten Weihnachtslied sei in lithurgischen Büchern berichtet worden. Im 10. Jahrhundert standen Schöffen während einer Christmette in Aachen auf und stimmten lauthals ein Lied an: „Sei uns Willkommen, unser Herre Christ.“

In den vergangenen 100 Jahren hat sich die lange Tradition des Weihnachtssingens gewandelt. „Aber ich bin der Meinung, dass man trotzdem noch merkt, wie stark diese Lieder im Bewusstsein und mit diesem Fest verknüpft sind“, sagt Loos.

Die Weihnachtstage seien noch immer die Zeit, in der am häufigsten gesungen werde. Dass das gemeinsame Singen insgesamt nicht mehr so stark gepflegt werde, habe auch mit den neueren Medien zu tun: „Man legt sich heute die schönten CDs auf, da ist kein falscher Ton dabei.“ Wer öle da noch seine Stimme selber?

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