Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn: Damals gab es Pannen bei den Ermittlungen

Der frühere Chef-Ermittler sagt als Zeuge im NSU-Untersuchungsausschuss aus. Verbindungen zum Terror-Trio sieht er nicht.

Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof: Wehrhahn: Damals gab es Pannen bei den Ermittlungen
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Düsseldorf. Der Durchbruch bei den Ermittlungen zum Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn nach fast 17 Jahren hat in der vergangenen Woche in ganz Deutschland für Aufsehen gesorgt. Seit gut einer Woche sitzt mit Ralf S. (50) angeblich der Mann hinter Gittern, der am 27. Juli 2000 durch eine Rohrbombe mit Fernzünder zehn Menschen schwer verletzt und ein ungeborenes Kind im Leib der Mutter getötet hatte. Es ist auch der Mann, der schon kurz nach der Tat damals in den Fokus gerückt war, vorübergehend festgenommen, aber nie angeklagt worden war. Im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags berichtete am Dienstag der damalige Chef-Ermittler Dietmar Wixfort den Politikern, warum das so war. Und er räumte Pannen ganz am Anfang ein.

Dietmar Wixfort am Dienstagvor dem NSU-Untersuchungsausschuss.

Dietmar Wixfort am Dienstagvor dem NSU-Untersuchungsausschuss.

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So habe es nur anderthalb Tage nach der folgenschweren Explosion eine erste Durchsuchung in der Wohnung von Ralf S. gegeben — durch einen einzelnen Vertreter des Staatsschutzes. Dies sei eher ein „oberflächlicher Stubengang“ gewesen, erklärt Wixfort — er übernahm die Leitung der Ermittlungskommission erst einige Stunden später: „Es war nicht hinnehmbar, was da passiert ist.“ Erst Tage später seien dann verschiedene mit S. in Verbindung stehende Objekte mit einer großen Truppe durchsucht worden — wobei diese stundenlang auf den richterlichen Beschluss gewartet habe und von Kameras nur so belagert worden sei. „Wir hatten fast mehr Presse als Polizei vor Ort. Das war sehr unglücklich“, so der Ermittler. Er könne nicht ausschließen, dass S. nach der ersten Durchsuchung Beweismittel bei Seite schaffte. Bei der zweiten jedenfalls war das Ergebnis negativ: „Wir haben nichts gefunden, was auf eine Täterschaft hingedeutet hätte.“

Viele Nachfragen provozierte im Untersuchungsausschuss die Aussage von Udo Moll, der seit 2014 die neu aufgerollten Ermittlungen leitet. Dabei bediente er sich moderner Methoden — etwa der „Operativen Fallanalyse“ durch Profiler des LKA, die zur Zeit des Anschlags noch in den Kinderschuhen gesteckt hatte.

Allerdings setzte er auch Ereignisse in Verbindung, die den Ermittlern schon 2000 bekannt waren: Die zwei Neonazis, die im Militarialaden von S. ein- und ausgingen und eine Auseinandersetzung mit Besuchern jener Sprachschule hatten, zu der auch die späteren Opfer gingen — und die Wohnung, die S. kurze Zeit später wohl als Bombenwerkstatt anmietete, obwohl er quasi mittellos war; aus der Lärm zu hören war und die er einen Tag nach dem Attentat wieder kündigte. Ob darauf nicht auch schon die frühere Kommission hätte kommen können, wird Moll gefragt und antwortet: „Ich bin nicht hier, um die damalige Arbeit meiner Kollegen zu bewerten.“

Beide Polizisten sind in der Tat geladen, um vor allem zu erklären, ob Ralf S., falls er denn der Täter ist, allein handelte. Oder ob er in rechtsextreme Strukturen eingebunden war, womöglich sogar Kontakte zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) unterhielt, mit dem sich der Ausschuss am Dienstag in seiner 52. Sitzung beschäftigte. Dietmar Wixfort berichtet, wie er in den Jahren bis zu seiner Versetzung nach Neuss 2009 immer wieder Spuren nachging — mal einen Kontaktmann von Ralf S. in Berlin vernahm, der den Anschlag angeblich begangen haben wollte; 1000 Straftaten, bei denen TNT verwendet worden war, mit dem Wehrhahn-Fall abglich; die Daten mit denen vom Anschlag an der Kölner Keupstraße 2004 übereinanderlegte. Immer ohne Treffer.

Besonders hellhörig wurde Wixfort 2012, als mit Carsten S. ausgerechnet in Düsseldorf eine Verbindungsperson des NSU-Trios festgenommen wurde. Wieder war er als Ermittler im Boot und prüfte, ob Ralf S. ihn gekannt haben könnte. Ergebnis: „Ich habe keine Verbindungen feststellen können.“ Auch Udo Moll hat nach einer neuen Untersuchung von 330 Spuren keine Hinweise auf eine Verbindung zum NSU gefunden.

S. verfüge zudem über alle notwendigen Fähigkeiten, um den Anschlag am S-Bahnhof allein durchzuführen. Allerdings stünden die Vernehmungen von Kontaktleuten des 50-Jährigen aus der rechtsextremen Szene erst jetzt nach der Verhaftung an — man habe verhindern wollen, dass S. von einem dieser möglichen Zeugen gewarnt werden könnte.

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