Was den Atlas überleben lässt

Stuttgart/Berlin (dpa) - Wo liegt eigentlich Timbuktu? Wen Fragen wie diese früher wirklich quälten, der griff zum guten alten Atlas im Regal.

Was den Atlas überleben lässt
Foto: dpa

Heute klickt er sich durchs Internet, fliegt virtuell mit Google Earth nach Mali in Westafrika. Immer mehr Orte auf der Erde kann er sogar in 3D betrachten. Wer braucht bei so viel Spaß noch den staubigen und im Zweifel mehr als zehn Jahre alten Atlas?

Der Bedarf sei nach wie vor da, versichern die Spezialverlage wie MairDumont oder der Stuttgarter Kosmos-Verlag, der sogar jetzt erst ins Geschäft eingestiegen ist. Auch in Zeiten von Google, sagen sie, zähle der klassische Atlas nicht zum alten Eisen,

... weil man Atlanten anfassen kann. Das Haptische sei ein ganz wesentliches Argument für den guten alten Atlas, sagt Nicole Weiffen, Sprecherin des Bibliographischen Instituts in Berlin, zu dem Meyers Atlanten gehören. Die Nachfrage sei zwar „nicht mehr wie vor 20 Jahren“, dennoch gebe es eine Klientel - auch in der jüngeren Generation. Klassische Atlanten gibt es inzwischen auch in digitaler Form vor, sie können auch offline genutzt werden. Und einen gedruckten Atlas kann man auch bei Stromausfall und Kerzenschein in die Hand nehmen - und so ganz herkömmlich nach Timbuktu suchen.

... weil der gedruckte Atlas keine Lücken lässt. Bei Internet-Karten sind oft nur die Regionen detailliert erschlossen, für die sich viele Menschen interessieren. Andere - Teile Afrikas etwa - werden vernachlässigt, sind veraltet dargestellt, wie Glenn Riedel, Leiter Kartographie bei Kosmos, sagt. Goliath Google reagiert gelassen auf die Kritik: „Jeden Tag werden Zehntausende von Updates an Google Maps vorgenommen, um unser Kartenmaterial aktuell zu halten“, sagt ein Google-Sprecher.

... weil hinter den Daten in Atlanten Kartographen stünden, die sämtliche Daten wieder und wieder kontrollierten, sagt Riedel von Kosmos. Mal anhand von Satellitenbildern, mal mit Hilfe von Experten vor Ort oder über diverse Institutionen. In Krisenregionen könne das auch mal ein schwieriges Puzzle sein. In strittigen Fragen der Grenzziehung oder Bezeichnung richte man sich meist nach den Vereinten Nationen. „Im Zweifel fragen wir "Wie hält es die UN?"“

... weil im Internet schnell mal der Überblick abhandenkomme. Beim Ran- oder Wegzoomen mit der Maus oder einem Fingerwischen gehe die Relation rasch verloren. Karten im guten alten Atlas hätten oft den gleichen Maßstab, womit die Vergleichbarkeit von Flächen oder Strecken erhalten bleibe. Weiterer Vorteil: „Im Atlas fängt der Schwarzwald beim S an und hört beim D auf“, sagte Riedel. Beim Zoomen im Internet hingegen könne man froh sein, wenn die richtige Bezeichnung dann irgendwann aufleuchte - und an der richtigen Stelle.

... weil beides gut und wichtig ist: „Google ist unglaublich toll“, sagt Volkmar Mair, Verwaltungsratschef des Kartographie-Marktführers MairDumont in Filderstadt bei Stuttgart. Doch - sei der 3D-Blick auf Städte, Straßen, Häuser noch so reizvoll - wer im Büro den ganzen Tag auf den flimmernden Bildschirm schaue, der blicke dann auch gerne mal auf bedrucktes Papier. Zudem sei die Aufnahmebereitschaft eine andere. Mair ist überzeugt: „Beim Atlas bleibt mehr hängen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort