Spionagevorwurf Wäre ein 5G-Ausbau mit Huawei ein Sicherheitsrisiko?

Berlin · Wird Huawei zum Sicherheitsrisiko? Die Frage nach dem Umgang mit dem chinesischen Konzern wird zum Politikum. Was steckt hinter den Vorwürfen? Und gäbe es überhaupt Alternativen zu dem Tech-Riesen?

Wäre ein 5G-Ausbau mit Huawei ein Sicherheitsrisiko?
Foto: dpa/Dan Himbrechts

Die Telekommunikationsbranche in Deutschland bereitet sich auf die Einführung der superschnellen 5. Mobilfunkgeneration (5G) vor. Insbesondere für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft hat 5G eine zentrale Bedeutung, etwa bei autonom fahrende Autos oder der Telemedizin. Viele Provider setzen beim Aufbau der Infrastruktur auf Technik des Marktführers Huawei. Doch gegen chinesische Unternehmen wie Huawei und ZTE werden immer häufiger Vorbehalte laut.

Welche konkreten Vorwürfe gegen Huawei stehen im Raum?

Die offiziell geäußerten Vorbehalte gegenüber dem chinesischen Konzern beziehen sich auf drei Bereiche. Zum einen wird befürchtet, Daten und Gespräche aus dem Mobilfunknetz könnten ausspioniert werden. Bedenken werden auch geäußert, ob Technik von Huawei in einem möglichen Cyberkonflikt Attacken aus China und anderen Regionen standhalten kann oder ob eine Hintertür für Angreifer eingebaut wurde. Schließlich steht Huawei im Verdacht der Industriespionage. Nicht offen ausgesprochen wird die Befürchtung, dass das dynamische Unternehmen aus China seine westlichen Konkurrenten technologisch und wirtschaftlich immer weiter abhängen kann.

Gibt es handfeste Beweise für diese Beschuldigungen?

Bislang haben Telekommunikationsunternehmen und Sicherheitsfirmen keine illegalen Hintertüren in den Huawei-Geräten entdeckt, obwohl insbesondere die Mobilfunkprovider die eingekaufte Ausrüstung vor dem Einsatz auf Herz und Nieren prüfen. Huawei bietet aber - wie alle anderen Hersteller auch - eine offiziell dokumentierte Schnittstelle für rechtmäßige Abhörmaßnahmen, die in Deutschland nur von einem Gericht angeordnet werden können. Solche Schnittstellen bei Geräten von Cisco und anderen westlichen Herstellern wurden auch vom US-Geheimdienst bei den Abhörmaßnahmen verwendet, die durch die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden vor rund fünf Jahren bekannt geworden waren.

Wie wahrscheinlich ist es, dass Mobilfunknetze von China manipuliert werden, um Industrieunternehmen auszuspionieren?

Dem chinesischen Staat und auch Unternehmen aus China wird immer wieder vorgeworfen, im großen Stil Industriespionage zu betreiben. Allerdings ist bislang kein einziger Fall bekannt, dass dabei Gerätschaften von Huawei oder ZTE eine maßgeblich Rolle gespielt haben. Experten weisen darauf hin, dass es viel einfacher sei, die gewünschten Informationen durch herkömmliche Cyberangriffe - etwa durch manipulierte E-Mails - abzufischen.

Die USA warnen schon seit Monaten von einer Beteiligung des chinesischen Ausrüsters. Warum?

In den USA haben Sicherheitsbehörden Bedenken vor dem Einsatz von Infrastruktur-Technik aus China, weil befürchtet wird, dass die chinesischen Unternehmen sich in Zweifelsfall Anordnungen von Regierungsstellen in Peking unterwerfen müssen. Huawei bestreitet das. Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, sieht sogar einen Konsens in der amerikanischen und die deutschen Wirtschaft, „dass die Sicherheit von Telekommunikationsnetzen und Lieferketten gefährdet ist, wenn Lieferanten der Kontrolle oder dem Einfluss ausländischer Regierungen unterliegen“. Darin liege „das Risiko eines unbefugten Zugangs und bösartiger Cyberaktivitäten“.

Außerdem wurde Huawei in den USA vor vier Jahren bei einem eher kleineren Fall von Industriespionage bei T-Mobile USA erwischt. Die Vorbehalte in den USA müssen aber auch im Kontext des Handelskriegs zwischen den USA und China gesehen werden. Huawei gilt als innovativer und flexibler als US-Anbieter wie Cisco und Intel.

Und welche Rolle spielt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)?

Das BSI hat sich im Streit um Huawei nicht eindeutig positioniert. Im vergangenen Dezember beteiligte sich das Bundesamt noch an der Eröffnungsfeier eines Huawei-Sicherheitslabors in Bonn. BSI-Präsident Arne Schönbohm sagte damals: „Wir begrüßen die Eröffnung dieses Labors, das einen weiteren und tieferen technischen Austausch zwischen Huawei und dem BSI ermöglicht, um die zukünftigen Herausforderungen der Cybersicherheit anzugehen.“ Als nationale Cybersicherheitsbehörde stehe das BSI aber „regelmäßig in einem technischen Austausch mit einer Vielzahl internationaler Hersteller von Informations- und Kommunikationstechnik, deren Produkten eine hohe Relevanz in deutschen IT-Infrastrukturen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zukommt“. Zu den Vorbehalten aus den Reihen der Geheimdienste will sich das BSI nicht äußern.

Wie positionieren sich die deutschen Kommunikationsprovider?

Die Provider wollen sich eigentlich nicht von Huawei lossagen, weil die Geräte der Chinesen technisch fortschrittlich und vergleichsweise preiswert sind. Um Bedenken aus dem Weg zu räumen, haben Telekom, Vodafone und Telefónica vorgeschlagen, die Geräte einer strengen Zertifizierung zu unterwerfen und darauf zu bestehen, dass die eingesetzte Software offen eingesehen werden kann, um mögliche Schwachstellen zu identifizieren und Sicherheitslücken zur Not auch ohne Mitarbeit des Lieferanten schließen zu können. Man verlasse sich ohnehin nicht nur auf einen Hersteller sondern setzte auch auf Geräte von Huawei-Konkurrenten.

In einem Worst-Case-Szenario bereiten sich die Provider aber auch darauf vor, ohne Huawei-Technik im Kernnetz auszukommen. Das dürfte allerdings den 5G-Ausbau verzögern und teurer zu machen, erst recht, wenn auch die bereits vorhandenen 4G-Komponenten von Huawei ausgetauscht werden müssen. Diese Regelung würde es aber weiter ermöglichen, Technik von Huawei in den Basisstationen für die Funkverbindungen zu den Mobiltelefonen zu verwenden. Experten weisen allerdings darauf hin, dass künftig die Grenzen zwischen dem Kernnetz und dem Zugangsnetz (Radio Access Network) immer weiter verschwimmen, weil mehr Rechenkapazität in die Basisstationen wandert.

Kann man in der Zukunft überhaupt auf einen Netzwerkausrüster wie Huawei verzichten. Welche Alternativen gibt es?

Ja, die gibt es - und sogar aus Europa. Denn mit Nokia und Ericsson stünden skandinavische Alternativen bereit. Bei einem großen Huawei-Boykott in mehreren Ländern wären die beiden Unternehmen aber voraussichtlich nicht in der Lage, den Ersatzbedarf in kurzer Zeit zu decken. Aus den USA ist Cisco in der Branche aktiv. Zudem drängen der kalifornische Chiphersteller Intel, der südkoreanische Tech-Konzern Samsung sowie taiwanesische Unternehmen wie MediaTek auf den Markt. Die Geräte von Huawei gelten aber als preiswert und innovativ. Außerdem eilt dem Konzern der Ruf voraus, besser auf individuelle Kundenwünsche einzugehen als seine Wettbewerber. Aus China ist neben Huawei ist noch ZTE in der Branche relevant.

(dpa)
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