Von Ketchup und Folklore

Auch Elvis war ein Deutscher: In Washington öffnet ein Museum zur Geschichte der Deutschen in den USA.

Washington. John Hockemeyer zählte zu jenen Abenteurern, deren Traum vom Glück sich erfüllt hat. Als 15-Jähriger wanderte der Deutsche im Jahr 1858 in die USA aus. Durch Ehrgeiz und Geschick wurde er zu einem der reichsten Kaufleute in Washington. Seine Villa "Hockemeyer’s Hall" in bester Geschäftslage an der Sixth Street war gesellschaftlicher Mittelpunkt der deutschen Immi-granten im 19. Jahrhundert.

Morgen eröffnet in diesem Bau das größte Museum zur Geschichte der Deutschen in den USA. "Wir wollen zeigen, was für einen großen Anteil die Deutschen an der Geschichte der USA haben", sagt Rüdiger Lentz, Gründungsdirektor des German-American Heritage Museum. "In der amerikanischen Öffentlichkeit weiß kaum mehr jemand etwas über dieses wichtige Kapitel ihrer Geschichte." Immerhin rund 50 Millionen US-Bürger, ein Sechstel der Bevölkerung, haben ihre Wurzeln in Deutschland. Das sind deutlich mehr als etwa diejenigen mit Vorfahren aus Großbritannien oder Irland.

Mit historischen Fotos, Plakaten, Zeit- und Schautafeln sowie Ausstellungsstücken dokumentiert das Museum die Massen-emigration über den Atlantik und das Schicksal der Deutsch-Amerikaner in ihrer neuen Heimat.

13 Familien aus Krefeld gründeten 1683 Germantown in Pennsylvania, die erste deutsche Siedlung in Nordamerika. Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wanderten mehr als acht Millionen Deutsche auf der Suche nach wirtschaftlichem Aufstieg und politisch-religiöser Freiheit in die USA aus. Unter ihnen waren Prediger, Revolutionäre, Glücksritter. "Es waren so viele schillernde Persönlichkeiten dabei, deren Geschichte wir hier erzählen", sagt Lentz.

Der Beitrag deutscher Einwanderer reicht von Levi’s Jeans bis zu Heinz-Ketchup. Und die Vorfahren von Elvis Presley hießen einst "Pressler". Vor allem im Osten und Mittleren Westen der USA etablierten sich im 19. Jahrhundert geschlossene deutschsprachige Gemeinschaften. Vereine, Zeitungen und deutsche Schulen. An "Hockemeyer’s Hall", dem Sitz des Museums, lässt sich auch der Wandel der deutsch-amerikanischen Gemeinschaft ablesen.

Als der deutsche Kaufmann das Haus 1888 errichten ließ, lag es mitten in Washingtons florierendem deutschen Viertel. Gleich um die Ecke zapfte "Dietz’s Ratskeller" frisches Bier. Heute zählt die Gegend zu Chinatown, Immigranten aus China wohnen hinter den deutschen Klinkerfassaden.

Mittlerweile sind die Deutschen als eigenständige Gruppe in Amerika kaum mehr erkennbar: Sie sind im Laufe der Zeit einfach im bunten Bevölkerungsmix der USA aufgegangen. Die Bindungen an die alte Heimat hatten im Ersten Weltkrieg rapide nachgelassen. Deutsch-Amerikaner waren in einen Loyalitätskonflikt geraten. Sie wurden der Sympathie für den Kriegsgegner Deutschland verdächtigt. Zeitweise war in Schulen sogar der deutschsprachige Unterricht verboten. Im Zweiten Weltkrieg verstärkte sich die Abkehr von der Heimat der Vorfahren.

Bis heute aber haben deutsche Traditionen in den USA unter dem Mantel der Folklore überlebt. Zwar sprechen die meisten Deutschstämmigen die Sprache ihrer Vorfahren nicht mehr, und nur noch 14 Prozent der Schulen in den USA bieten überhaupt Deutschunterricht an - Tendenz fallend. Doch feiern viele Amerikaner im Herbst ihr örtliches Oktoberfest, deutsches Bier genießt einen guten Ruf, und im ganzen Land sind deutsche Traditionsvereine aktiv.

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