Vier Jahre Haft für Pfusch im OP-Saal

Der ehemalige Chefarzt der Wegberger Klinik hat den Tod von vier Patienten auf dem Gewissen.

Mönchengladbach. Wenn die Patienten am Antonius-Krankenhaus in Wegberg aus der Narkose erwachten, hatte Chefarzt Arnold Pier oft eine unangenehme Überraschung für sie parat. Manchen fehlte plötzlich ein Organ, von dem vor der OP gar nicht die Rede war. Dass ihre Wunden auf Piers Anordnung hin mit frisch gepresstem Zitronensaft statt mit Desinfektionsmittel traktiert wurden, erfuhren sie in der Regel nicht. Nach einem der größten Klinikskandale in Deutschland ist der ehemalige Chefarzt und Klinikbesitzer am Montag schuldig gesprochen worden.

Sein Blick geht starr ins Leere, wie es mit ihm nun beruflich weitergeht, wollen weder der 54-Jährige noch seine drei Anwälte erläutern. Jahrelang hatten sie auf seiner Unschuld beharrt, dann das überraschende Geständnis und nun der Schuldspruch: fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge. Vier Jahre Haft für vier tote Patienten und 21 Fälle von Körperverletzung in diversen Varianten: fahrlässig, vorsätzlich, gefährlich und schwer.

Pier „habe Organe entfernt, die nicht hätten entfernt werden müssen“, sagte der Vorsitzende Richter Lothar Beckers. Blinddärme, eine Gallenblase und eine Niere wurden ohne Notwendigkeit und ohne Einwilligung der Patienten herausgeschnitten — manchmal auch noch fehlerhaft. Pier brach Behandlungen auf eigene Faust ab, ordnete ohne Not eine Chemotherapie an. Vier Patienten überlebten seine Fehlbehandlungen nicht. Der 54-Jährige habe „im Blindflug agiert“, konstatierte das Gericht. Der Mediziner sei mit seinem Versuch gescheitert, die kleine Antonius-Klinik in Wegberg wirtschaftlich zu sanieren. Dies wäre vermutlich vielen passiert. Vorzuwerfen sei ihm aber, dass er sein Scheitern nicht erkannt und seine Fähigkeiten überschätzt habe.

Pier sei permanent überfordert gewesen, ohne sich dies selbst einzugestehen. So sei der selbst produzierte Zitronensaft kaum günstiger gewesen als ein Desinfektionsmittel, ein nennenswerter Einspareffekt sei gar nicht erzielt worden, hatten die Anwälte angeführt.

Verteidiger Egon Geis zeigte sich am Montag mit dem Urteil „zufrieden“. Ohne Geständnis wäre die Strafe wohl deutlich höher ausgefallen. „Wir werden keine Revision einlegen.“ 16 Monate der Haftstrafe gelten bereits als verbüßt — gut fünf Monate U-Haft eingeschlossen. Für den Rest kann Pier auf einen Platz im offenen Vollzug hoffen.

Eine anonyme Anzeige eines Klinik-Beschäftigten hatte die Missstände ans Licht gebracht.

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