Venlo: Mehl in Briefen löste Großalarm aus

Venlo. Ausnahmezustand in der Grenzstadt Venlo am Dienstag. Am Vormittag gegen 11 Uhr kommen zwei Familien aus dem Vorort Velden auf die Hauptwache der Polizei. Im Gepäck haben sie Briefe, in denen ein weißes Pulver steckt.

Dazu jeweils ein Schreiben, dessen Inhalt "sie als Bedrohung empfinden konnten", wie ein Polizeisprecher der niederländischen Zeitung "De Limburger" sagte.

Im Verlaufe des Gesprächs wird sich herausstellen, dass sie diese Briefe schon am Samstag bekommen haben.Bei den Beamten gehen im Kopf alle Alarmlampen an: Anthrax, die Brief-Attentate in den USA vom September 2001, aus der Zeit kurz nach dem Anschlag auf das World-Trade-Center.

In Briefen waren dort die Erreger für Milzbrand an Nachrichtensender und Senatoren verschickt worden, fünf Menschen starben, ganz Amerika war im Aufruhr wegen der hohen Ansteckungsgefahr, die von diesen Sporen ausging. Die Ermittlungen zu diesem Fall wurden übrigens erst am 19. Februar dieses Jahres eingestellt, es bleiben immer noch Zweifel, ob ein beschuldigter FBI-Mann, der Selbstmord beging, bevor man gegen ihn Anklage erheben konnte, tatsächlich der Schuldige war. In der Zeit danach hielten Trittbrettfahrer auf der ganzen Welt die Behörden in Atem - mit den verschiedensten (immer harmlosen) Pulvern, die sie verschickten, um einen Großeinsatz auszulösen.

In kürzester Zeit wird die Venloer Haupt-Polizeiwache unter Quarantäne gestellt. Die Kinder der betroffenen Familien besuchen die Grundschule in Velden, die Andreasschool. Auch hier heißt es sofort: Keiner mehr raus und keiner mehr rein. 366 Kinder und 35 Lehrkräfte bleiben bis zum Nachmittag eingesperrt. Dann kommt die erste vorsichtige Entwarnung: Zumindest einem der Briefe scheint nichts Ansteckendes zu sein. Die Polizeiwache bleibt trotzdem zu, im Rechtsmedizinischen Institut in Bilthoven arbeitet man mit Hochdruck an der Analyse.

Gegen 18 Uhr will man gerade aufatmen, weil klar ist: Was immer das weiße Pulver ist - Milzbranderreger sind es nicht. Da melden sich noch zwei Menschen aus Velden, die einen dritten Brief mit weißem Pulver bekommen haben. Sie steuern eine andere Wache in Venlo an - und müssen gemeinsam mit sieben Beamten dort ausharren. Erst gegen 20 Uhr können auch sie gehen.

Am Mittwohmorgen dann des Rätsels Lösung: Das weiße Pulver war schlicht und einfach Mehl, das berichtet "De Limburger" unter Berufung auf den Polizeisprecher. Ob die Briefe strafbare Bedrohungen enthielten, wird jetzt von der Polizei geprüft.

In Deutschland gibt es für solche Taten eine klare Rechtsprechung im Paragraphen 126 des Strafgesetzbuches. Es handelt sich um eine Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Damit steht das Vergehen auf einer Stufe mit Amokdrohungen, wie sie im vergangenen Jahr nach Winnenden immer wieder vorkommen. Für den Täter gibt es eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine saftige Geldstrafe.

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