Tote und Verletzte Ukraine meldet neue Raketenangriffe auf Kiew und Co. - großflächige Stromausfälle

Seit den Rückschlägen im Kampfgebiet attackiert Russland die Ukraine immer wieder massiv aus der Luft. Strom und Heizwärme fallen aus, in der Hauptstadt ist die Wasserversorgung unterbrochen. Kiews Bürgermeister Klitschko befürchtet einen schlimmen Winter.

 Ukraine, Uschhorod: Feuerwehrleute des staatlichen ukrainischen Katastrophenschutzes löschen ein Feuer am Ort eines Beschusses. Die Behörden meldeten Stromausfälle in mehreren ukrainischen Städten, darunter in Teilen von Kiew, und im benachbarten Moldawien, nachdem erneut ukrainische Infrastruktureinrichtungen getroffen worden waren.

Ukraine, Uschhorod: Feuerwehrleute des staatlichen ukrainischen Katastrophenschutzes löschen ein Feuer am Ort eines Beschusses. Die Behörden meldeten Stromausfälle in mehreren ukrainischen Städten, darunter in Teilen von Kiew, und im benachbarten Moldawien, nachdem erneut ukrainische Infrastruktureinrichtungen getroffen worden waren.

Foto: dpa/Efrem Lukatsky

Bei neuen russischen Raketenangriffen auf Kiew und weitere Gebiete sind nach Angaben der Ukraine mehrere Menschen getötet worden, darunter ein Säugling in einem Krankenhaus. Kritische Infrastruktur sei beschädigt, erklärte Bürgermeister Vitali Klitschko am Mittwoch. Die Ukraine leidet ohnehin unter Energienot und plant deswegen Tausende Wärmestuben. Aus Sicht des EU-Parlaments ist Russland ein staatlicher Unterstützer von Terrorismus. In Deutschland attackierte die Opposition die Krisenpolitik der Regierung.

Im Bundestag warf Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) Bundeskanzler Olaf Scholz mit Blick auf die Stärkung der Bundeswehr Wortbruch vor sowie Versäumnisse, die die Lage für Millionen deutscher Haushalte immer schwieriger werden ließen. Scholz nannte dies eine verzerrte Darstellung und verwies auf die milliardenschweren Entlastungsprogramme. Der Kanzler ließ auch Äußerungen des früheren britischen Premierministers Boris Johnson zurückweisen, wonach Deutschland zu Beginn des Krieges ein rasches Aufgeben der Ukraine gewollt habe.

Russland startete seinen Angriff auf das Nachbarland am 24. Februar. Nach Rückschlägen in den Kampfgebieten setzt Moskau verstärkt auf Raketenangriffe überall in der Ukraine, vor allem auf Kraftwerke und Energienetze. Weite Teile des Landes haben deshalb zumindest zeitweise keinen Strom oder Heizwärme.

Stromausfall in vielen Teilen der Ukraine

Bei dem Angriff am Mittwoch setzte die russische Armee nach Kiewer Zählung etwa 70 Raketen sowie Kampfdrohnen ein. Präsident Wolodymyr Selenskyj und Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj sprachen von 67 Raketen, die auf die Ukraine abgefeuert worden seien. Allein auf die Hauptstadt Kiew seien 30 Raketen abgeschossen worden, von denen 20 abgefangen worden seien, schrieb Saluschnyj auf Telegram.

Die Luftwaffe nannte eine Zahl von 71 Raketen. 51 russische Raketen und 5 Drohnen seien im Anflug abgeschossen worden, teilte deren Oberkommando mit. Doch die Marschflugkörper, die ihre Ziele trafen richteten erneut schwere Schäden am Energienetz der Ukraine an. Es kam zu großflächigen Stromausfällen. „Die heutigen Raketenangriffe haben zu vorübergehender Abtrennung aller Atomkraftwerke und der Mehrzahl der Wärme- und Wasserkraftwerke geführt“, teilte das Energieministerium in Kiew am Mittwoch per Facebook mit. Genauere Angaben zur Zahl der betroffenen Haushalte machte die Behörde nicht.

In der Hauptstadt Kiew mit ihren drei Millionen Einwohnern waren 80 Prozent der Haushalte ohne Wasser und Strom. „Alle kommunalen Dienste arbeiten, um schnellstmöglich die Strom- und Wasserversorgung von Kiew wiederherzustellen“, sagte Bürgermeister Klitschko gemäß einer Mitteilung.

Nach Angaben der Militärverwaltung wurden in Kiew 4 Menschen getötet und 27 verletzt. Im ganzen Land wurde Luftalarm ausgelöst. Über Explosionen - teils auch durch die Flugabwehr - wurde auch aus den Gebieten Odessa, Mykolajiw, Poltawa und Dnipropetrowsk berichtet. Die westukrainische Stadt Lwiw war nach Angaben von Bürgermeister Andrij Sadowyj nach Angriffen zunächst komplett ohne Strom. Präsident Wolodymyr Selenskyj machte seinen Landsleuten Mut: „Wir werden alles erneuern, und wir werden alles überstehen, denn wir sind ein unbeugsames Volk.“ Der UN-Sicherheitsrat in New York setzte wegen des Angriffs noch für Mittwoch eine Sondersitzung an.

Entbindungsstation eines Krankenhauses getroffen

Bereits in der Nacht war bei russischen Raketenangriffen in Wilnjansk in der Region Saporischschja nach ukrainischen Angaben die Entbindungsstation eines Krankenhauses getroffen worden. „Schmerz überflutet unsere Herzen - ein Säugling, der gerade erst auf die Welt gekommen ist, wurde getötet“, schrieb der Militärgouverneur von Saporischschja, Olexandr Staruch, auf Telegram.

Raketeneinschläge meldete die Ukraine auch aus der Region Donezk, wo ein Mensch getötet und acht weitere veletzt worden sein sollen. Die Angaben der Kriegsparteien sind grundsätzlich kaum rasch und unabhängig zu verifizieren. Die Vereinten Nationen haben seit Kriegsbeginn mehr als 6500 zivile Todesopfer registriert, darunter mehr als 400 Kinder. Die UN gehen aber von höheren Zahlen aus.

Selenskyj lobt Votum des Europaparlaments

„Russland feiert seine Einstufung als Terrorstaat mit neuem Raketenterror gegen die ukrainische Hauptstadt und andere Städte“, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter. Das EU-Parlament hatte Russland kurz zuvor als staatlichen Unterstützer von Terrorismus verurteilt. Die verabschiedete Resolution fordert eine noch drastischere Beschränkung der diplomatischen Kontakte zu Russland und weitere Strafmaßnahmen wie ein Embargo gegen russische Diamanten. Präsident Selenskyj begrüßte den Beschluss, der allerdings nicht rechtlich bindend ist.

Wegen der russischen Angriffe auf die Versorgung spricht die ukrainische Führung von Energieterror. Selenskyj hatte am Dienstag erklärt, landesweit würden 4000 sogenannte Stabilitätspunkte in Schulen und Verwaltungsgebäuden eingerichtet. Dort gebe es unter anderem Strom, mobile Kommunikation und Internet, Wärme, Wasser und Erste Hilfe.

Kiews Bürgermeister Klitschko sagte der „Bild“-Zeitung (Mittwoch): „Das ist der schlimmste Winter seit dem Zweiten Weltkrieg.“ Er warf dem russischen Staatschef Wladimir Putin vor, durch Angriffe auf die zivile Infrastruktur noch mehr Ukrainer in die Flucht treiben zu wollen. „Aber das wird nicht passieren.“ Die Menschen würden nur noch entschlossener. Klitschko bat Deutschland, neben Waffen auch Generatoren, Schutzkleidung und humanitäre Güter zu schicken. Großbritannien unterstützt die Ukraine mit Hubschraubern, wie der Sender BBC berichtete.

Bodenkämpfe wurden wie in den Tagen zuvor vor allem aus dem Donbass im Osten der Ukraine gemeldet. Aus der Stadt Sewastopol auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim gab es am Dienstagabend Berichte über einen Angriff ukrainischer Drohnen. Stadtchef Michail Raswoschajew teilte mit, zwei Drohnen seien abgeschossen worden. Sie hätten ein Strom- und Heizkraftwerk im Stadtteil Balaklawa angreifen sollen.

(dpa)
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