Transplantation: Die Organ-Ambulanz wartet ob ein Opfer stirbt

Stirbt in New York ein Mensch bei einem Unfall, wird noch vor Ort die Transplantation vorbereitet.

New York. Notfalleinsatz am Unfallort in New York: Ein Krankenwagen eilt heran, Rettungskräfte kommen dem Opfer zur Hilfe. Doch das ist noch nicht alles. Dahinter wartet eine zweite Ambulanz mit einem Spezialteam. Das schreitet aber erst ein, falls für das Opfer das Leben endet. Sie bereiten dann den frischen Leichnam zur Organentnahme vor.

Die Entsendung von Doppel-Ambulanzen ist ein Modellprojekt in New York, das Gegner auf den Plan ruft. Die Vorstellung, dass Menschen im Fall des unerwarteten Ablebens sogleich zur Organentnahme konserviert werden, sorgt für Unbehagen. Allerdings: Für Kranke, die auf einen Organspender warten, bedeutet das Projekt neue Hoffnung.

Der New Yorker Professor Lewis Goldfrank, der das Modellprojekt leitet, beschreibt das Problem so: "Einerseits sind manche der potenziellen Organspender zum Zeitpunkt ihres Todes weit entfernt von Krankenhäusern mit dem notwendigen Instrumentarium. Andererseits sterben jeden Tag Menschen, die vergeblich auf Organspenden gewartet haben."

Für Transplantationsmediziner zählt nach dem Tod eines Menschen jede Minute. Das Team an Bord der Spezialambulanz injiziert den verstorbenen Opfern Lösungen, die zum Erhalt der Organe nötig sind. Die sterblichen Überreste werden sofort ins Krankenhaus gebracht und dort für eine Transplantation vorbereitet.

Derweil bemüht sich das Personal um die Einwilligung der Hinterbliebenen, ohne die eine Entnahme nicht erfolgen darf. Wird die Einwilligung erteilt, kann die Transplantation sofort beginnen. Dadurch wird wertvolle Zeit gewonnen.

Die Besatzung der Zweitambulanz am Unfallort wird nur dann aktiv, wenn tatsächlich ein Todesfall eintritt. Kritiker finden das Projekt geschmacklos. "Das ist eine schlechte, kontraproduktive Idee", sagt Michael Grodin, Professor für Bioethik am Albert-Einstein-College in New York.

"Manche Menschen werden das so empfinden, als kreuze eine Ambulanz auf der Suche nach ihren Organen durch die Stadt." Grodin weist außerdem darauf hin, wie schwierig es sein kann, bereits am Unfallort festzustellen, ob jemand tatsächlich gestorben ist, "es sei denn, die Leiche ist enthauptet oder verwest".

Die Leiter des Projekts halten dem die Erfahrungen aus dem Ausland entgegen. In den letzten 20 Jahren habe sich etwa in Spanien die Zahl der für Transplantationen verfügbaren Organe mehr als verdoppelt - unter anderem, weil hier ebenfalls das System der Doppel-Ambulanzen eingeführt wurde: Fährt ein Notarztwagen zu einem Herzinfarktpatienten, folgt ihm eine zweite Ambulanz, um im Todesfall die Organe zu erhalten.

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