Tränen und Anekdoten: Ruhr.2010 nimmt Abschied

Essen (dpa) - Reporter in der Pinkel-Grube, schmorendes Hauptkabel bei der Eröffnungsfeier, Gasballons in der Oberleitung - im Kulturhauptstadtjahr an der Ruhr gab es nicht nur 5500 Projekte, sondern auch reichlich Anekdoten hinter den Kulissen.

Viele Mitarbeiter packten vor Weihnachten ihre Sachen - dabei sollen reichlich Tränen geflossen sein. Manche Geschichte kommt dabei ans Tageslicht.

Gleich die Eröffnungsfeier stand an mehreren Stellen gefährlich auf der Kippe. Angefangen mit dem Wetter: „Es gab erheblichen Druck von außen, es in dem Schneesturm nicht zu machen“, sagt Ruhr.2010- Organisationschef Ralph Kindel. Verschieben oder in verkleinerter Form in eine Halle verlegen - dagegen habe Ruhr.2010-Chef Fritz Pleitgen stur Kurs gehalten.

Im Schneetreiben mussten die Wege auf dem Zollvereinsgelände freigeräumt werden, an den Rändern türmte sich hoch der Schnee. Eine halbe Stunde vor Einlass habe es aus einem der Schneeberge gequalmt - ein Brand im wichtigsten Kabel, das die große Videoleinwand in der Eröffnungsarena versorgte. Zu allem Überfluss rief irgendjemand die Feuerwehr an, die mit zehn Mann unmittelbar vor der Eröffnung auf der Bühne stand - mitten im streng abgeschirmten Sicherheitstrakt des Bundespräsidenten. Wäre es nicht gelungen, das Kabel zu überbrücken und schnell zu reparieren - die große Leinwand bei der Eröffnung wäre zur Hälfte schwarz geblieben.

Ruhr.2010-Legende ist, wie Geschäftsführer Oliver Scheytt kurz vor der Eröffnung auf dem Gelände einen vorbeifahrenden Bus einfach anhielt, Prominente einsteigen ließ und Richtung Eröffnungsarena dirigierte: Die für die VIPs bestellten Busse waren zuvor durch eine Panne weggefahren. Ohne die Kaper-Aktion hätte es große Lücken auf den Prominentenplätzen gegeben. Der als Ex-Moskau-Korrespondent wintererfahrene Pleitgen hatte vorher alle Beteiligten zu wetterfester Kleidung gemahnt, doch ausgerechnet er saß bei der Eröffnung ohne Kopfbedeckung da: Er hatte seine Fellmütze EU- Kommissionspräsident Barroso geliehen, der aus seiner portugiesischen Heimat offenbar wärmeres Wetter gewöhnt war.

Gelächter gibt es bis heute über den Reporter, der sich für den ersten großen Tag eine Story über einen freiwilligen Helfer der Kulturhauptstadt vorgenommen hatte. Der Journalist verirrte sich nachts - das offizielle Programm war lange vorbei - in den nur provisorisch gesicherten Künstlerbereich. Als er über das dunkle Gelände nach Hause wollte, fiel er prompt mit Laptop in eine Sickergrube und stand bis zur Brust in der eiskalten Brühe, erzählt Kindel. Handwerker, denen der Weg zum Dixi-Klo zu weit war, hatten die Grube in den Aufbautagen als inoffizielles Pinkelbecken benutzt.

Anekdoten wie diese gibt es für ein ganzes Buch. Beim Projekt „Schachtzeichen“ lösten sich etwa wegen des starken Windes an einem Tag drei der Gasballons, die an ehemalige Zechen erinnern sollten. Ein Ballon flog in eine RWE-Hochspannungsleitung - zwei Stunden Stromausfall - zwei trafen eine Oberleitung der Bahn - Streckenunterbrechung. Damit waren ausgerechnet zwei 2010- Hauptsponsoren betroffen.

Der Abschied von solchen Erinnerungen tut weh. An der internen Feier für die Kulturhauptstadt-Akteure diese Woche wollten einige lieber nicht mehr teilnehmen. „Da muss ich nur heulen“, sagte ein Mitarbeiter und packte seine Sachen schon vorher zusammen. „Jetzt kommt der schwierige Prozess der Entschleunigung“, sagt Kindel.

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