Tony Christie: Schlager? Nicht meine Musik!

Alle zehn Jahre ein Comeback. Tony Christie ist wieder mit einem Album am Start — diesmal aber ohne Herzschmerz.

London. 1971 fragte Tony Christie zum ersten Mal nach dem Weg in dieses Amarillo im US-Staat Texas — ein Song mit Ohrwurm-Alarm. Seitdem feiert der Brite gefühlt alle zehn Jahre ein Comeback. Und nun hat er sich neu erfunden und verblüfft mit einem zauberhaften Spätwerk. Sein Album „Now’s the Time“ mit anspruchsvollem, groovigem Retro-Sound, reißt mit. Der „Guardian“ schrieb vom besten Tony Christie, den es in 50 Jahren Bühnenkarriere je gab. Weshalb sich der Sänger trotzdem nicht für seine Schlagersänger-Zeit schämt, erzählt der 68-Jährige im Interview mit unserer Zeitung.

Mr. Christie, wie kommt es, dass Sie auf einmal wieder cool sind?

Tony Christie: Das weiß ich selber nicht. Vielleicht, weil ich zu meinen Wurzeln zurückgegangen bin: meiner Musik aus den Sechzigern. Ich dachte mir, dass ich jetzt in diesem Lebensabschnitt noch einmal Alben mache, auf die ich richtig stolz sein kann. Die einfach für jeden etwas sind, bei denen man nicht automatisch an „Amarillo“ und so denkt.

Wie würden Sie das neue Album beschreiben?

Christie: Es ist ein großer Mix. Es ist ein bisschen Blues, ein bisschen Northern Soul, ein bisschen R’n’B, ein bisschen von allem. Es ist eine nette Art von Musik, die mir leicht fällt zu singen.

Moment mal, man kennt Sie vor allem als Schlager-Sänger!

Christie: Ach, das waren doch nur die drei Jahre mit Jack White. Ich habe das getan, weil es mir angeboten wurde. Zu der damaligen Zeit hatte ich keinen Plattenvertrag. Es war im wesentlichen nicht meine Musik, aber ich bereue es nicht. Und ich habe das, glaub’ ich, großartig gesungen. (lacht)

Schon ihr vorletztes Album „Made in Sheffield“ bekam viel Lob. Sie traten beim Glastonbury Festival vor tausenden jungen Leuten auf. Ist das ein ähnliches Comeback wie von Tom Jones?

Christie: Nein, wir sind total verschiedene Sänger-Typen. Tom hat ein anderes Image, er ist eher diese Sexbombe.

Aber ist Ihr Publikum nicht auch vor allem weiblich?

Christie: Keineswegs! Ich glaube, dass ich mehr männliche Fans habe. Mein letztes Charity-Konzert in London war voll mit Rugbyspielern. Weil sie meine Stimme mögen. Es hat also nichts mit Sex oder so zu tun.

Sie gehen erstmals seit 15 Jahren wieder auf Solo-Tournee. Was können Ihre deutschen Fans erwarten?

Christie: Einen Mix. Ich biete eine Querschnitt durch meine musikalische Karriere, durch die ganzen 50 Jahre. Wenig Show — viel pure Musik und Stimme. Erst einmal ist es nur eine kleine Tournee, eine Art Test-Ballon, ob sich die Deutschen noch an mich erinnern. Und ob sie mein neues Material mögen. Ich hoffe, dass die Leute, die den Schlager-Kram gekauft haben, nicht enttäuscht sind, wenn ich kaum Schlager singe.

Welche Erinnerungen haben Sie an Deutschland?

Christie: Seit den 60ern toure ich nach Deutschland. In den späten 80ern und den 90ern hatte ich große Tourneen dort. Ich bin ständig für TV-Shows rübergeflogen. Die Deutschen sind meine treuesten Fans — wenn die dich mögen, mögen die dich. Im Musikbusiness nur an der Spitze zu sein, ist quasi unmöglich. Meine Karriere war eine Achterbahnfahrt, hoch und runter, hoch und runter. Aber Leute ich bin immer noch da!

Sie sagen, dass Sie noch lange nicht ans Aufhören denken. Was ist Ihr Jugend-Elixir?

Christie: Meine wundervolle Familie. Ich habe drei Kinder, sieben Enkel. Und eine wunderbare Frau. Sue und ich sind jetzt 44 Jahre verheiratet. Meine Familie macht mich glücklich und hält mich fit.

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