Ungewöhnlicher Akt : Thüringen will einen Schlossherrn loswerden
Erfurt/Bonn (dpa) - Briefe an die Schlossherren sind geschrieben und an Adressen in Hamburg und London verschickt: Damit hat das derzeit wohl spektakulärste Verfahren zur Rettung eines Schlosses in Deutschland begonnen.
Mit der angestrebten Enteignung der vom Verfall bedrohten Schloss- und Parkanlage Reinhardsbrunn könnte Thüringen für einen Präzedenzfall im deutschen Denkmalschutz sorgen, glaubt nicht nur Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke). Noch nie ist zum Erhalt eines Kulturdenkmals, mit dem sich Glücksritter verspekuliert haben, ein solcher Schritt gegangen worden.
„Das ist das erste Mal, dass so etwas durchgezogen wird“, sagt Ursula Schirmer, Sprecherin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Von einem Novum ist auch bei Juristen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Rede. „Alle, die sich für Denkmalschutz engagieren, verfolgen das Verfahren mit Spannung“, so Schirmer.
Nach ihren Angaben haben fast alle Denkmalschutzgesetze der Bundesländer Klauseln, die Enteignungen als Ultima Ratio vorsehen, sollten Eigentümer ihrer Erhaltungspflicht partout nicht nachkommen. Dabei gehe es nicht um die privaten Denkmalbesitzer, die finanziell an ihre Grenzen gerieten, sagt sie. „Dafür gibt es Förderprogramme. Wer erhalten will, findet einen Weg.“ Eine Rettung von Reinhardsbrunn - das Schloss entstand 1827 auf der Ruine des Hausklosters der Thüringer Landgrafen - hätte ihrer Meinung nach Signalwirkung.
Es gehe dabei unter anderem um die Frage, ob die Denkmalschutzgesetze der Länder nur Papiertiger seien. Zudem könnte das Verfahren Banken veranlassen, bei Hypotheken auf solche Objekte vorsichtiger zu sein.
Einer der Knackpunkte im Fall Reinhardsbrunn ist, dass die Eigentümer Grundschulden von mehr als neun Millionen Euro auf das Schloss eintrugen. Wo das Geld blieb, ist unklar. Auch deshalb gibt es ein seit Jahren laufendes Untreueverfahren gegen einen Ex-Geschäftsführer und dessen Sohn.