Thomas Reiter: Der Weg zum Mars führt über den Mond

Donnerstag endet die letzte Mission eines Space Shuttles. Der deutsche Astronaut Thomas Reiter spricht über seine Erinnerungen ans Weltall und die Zukunft der Raumfahrt.

Düsseldorf. Herr Reiter, mit welchem Gefühl blicken Sie auf diese letzte Mission eines Space Shuttles?

Reiter: Für mich ist damit schon Trauer verbunden, da ich die Gelegenheit hatte, mit diesem fantastischen Vehikel in den Weltraum zu fliegen. Aber es gibt gute Gründe, das Space Shuttle außer Dienst zu stellen und es gibt Neuentwicklungen, die bereits auf dem Weg sind. Ich sehe das mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

Gehen Ihnen in diesen Tagen bestimmte Erinnerungen an Ihre Missionen durch den Kopf?

Reiter: So eine Mission an Bord eines Raumschiffs ist vom Anfang bis zum Ende faszinierend. Und natürlich denke ich in diesen Tagen besonders oft an meine Zeit im Shuttle und an Bord der ISS zurück. Jede Phase des Flugs - vom Start über das Andocken an die ISS, die Zeit dort bis hin zum Wiedereintritt in die Atmosphäre und die Landung - ist in die Erinnerung eingebrannt.

Sie haben gerade den Start und den Wiedereintritt in die Atmosphäre erwähnt - die beiden Phasen, in denen es zu den großen Unglücken der Challenger und der Columbia kam. Hatten Sie niemals Angst?

Reiter: Angst hatte ich nicht. Man ist sich selbstverständlich darüber im Klaren, dass diese Flüge mit einem erhöhten Risiko verbunden sind. Aber das ist eine Entscheidung, die man treffen muss wenn man diesen Beruf ergreift. Außerdem ist man sehr konzentriert auf seine Aufgaben. Und die Ausbildung umfasst ja auch zu großen Teilen das Verhalten in Notsituationen. Dennoch: Wenn man dann ungefähr an dem Punkt im Flug ist, an dem die Katastrophen der Challenger und der Columbia ihren Lauf nahmen, schießt einem das schon durch den Kopf.

Was war für Sie der beeindruckenste Moment im All?

Reiter: Zum einen war das der Blick auf unseren Planeten, den ich zweimal fast ein halbes Jahr lang genießen durfte. Der Blick über ganze Kontinente ist etwas, das mir unter die Haut gegangen ist. Zum anderen sind da die Außenbordeinsätze. Näher kann man dem All einfach nicht kommen. Wenn man sich dann mit dem Rücken zur ISS dreht und den Blick schweifen lässt — das sind Eindrücke, die so weit vom eigentlichen Erlebnishorizont entfernt sind, dass man sich fragt, ob das jetzt alles Wirklichkeit ist.

Wie wirkte die Erde in einem solchen Augenblick auf Sie?

Reiter: Darüber könnte ich sehr lange sprechen. Auf der einen Seite ist da der schon erwähnte Blick über die Kontinente. Wenn man über Europa fliegt und den gesamten Kontinent mit eigenen Augen sieht, das ist überwältigend. Da bekommt man auch einen ganz anderen Blick auf die Bedeutung der europäischen Integration. Man ist zudem von der Schönheit dieses Planeten begeistert. Auf der anderen Seite weiß man, dass es Regionen gibt, in denen Kriege und Hungersnöte herrschen. Zu meiner Zeit an Bord der ISS war gerade der Konflikt zwischen Israel und dem Libanon, und ich sah Rauchfahnen über Beirut aufsteigen. Das war ein sehr schmerzliches Bild. Man schaut von dort oben herab und denkt: Mensch, es ist doch eigentlich genug Platz für alle da.

Ist der Ausstieg aus dem Shuttle-Programm nicht ein Rückschritt für die bemannte Raumfahrt?

Reiter: Nein, ich denke, es war aus Nasa-Sicht die richtige Entscheidung. Wir dürfen nicht glauben, dass die Raumfahrt einen Sonderstatus einnimmt und dort nicht gespart wird. Die Vorstellung, dass man durch die Wiederverwendbarkeit eines solchen Raumfahrtsystems Kosten sparen kann, hat sich leider nicht bewahrheitet. Der Betrieb dieser Shuttle — so faszinierend und leistungsstark diese Vehikel auch sind — war sehr teuer. Die Nasa hatte letztlich keine andere Möglichkeit, Mittel für die Neuentwicklung anderer, modernerer Transportsysteme freizumachen.

Sie haben sich für eine neue bemannte Mondmission ausgesprochen. Warum?

Reiter: Zum einen ist der Mond für die Wissenschaft von großem Interesse, da man dort viel über die Entstehungsgeschichte der Erde lernen kann. Der Mond ist aus der Erde in einem sehr frühen Stadium gewissermaßen herausgeschlagen worden und der damalige Zustand des Planeten ist dort praktisch konserviert worden. Zum anderen denken wir ja darüber nach, in 20, 30 Jahren oder noch späterer Zukunft einmal Menschen zu unserem Nachbarplaneten Mars zu schicken. Es wäre sinnvoll, die dafür erforderlichen Technologien zunächst in der Nähe der Erde zu testen. Ob das so geschehen wird, weiß ich noch nicht. Das werden wir in den nächsten Jahren mit unseren internationalen Partnern diskutieren und letztlich wird es natürlich eine politische Entscheidung werden.

Wie schnell wäre man technisch dazu in der Lage, eine neue Mondmission zu starten?

Reiter: Die Nasa entwickelt zurzeit eine Trägerrakete, die Nutzlasten von mehr als 100 Tonnen in den Erdorbit transportieren kann. Die Rakete soll in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts einsatzbereit sein. Dann wäre man theoretisch dazu in der Lage, in zehn bis 15 Jahren wieder Menschen zum Mond zu schicken.

Wenn das schnell genug klappen würde - würden Sie nochmal fliegen?

Reiter (schmunzelt): Ich würde sofort dabei sein - aber es ist leider unrealistisch, dass ich aus meiner jetzigen Tätigkeit nochmal den Schritt zurück in eine aktive Astronauten-Laufbahn mache. So sehr ich mir das auch wünschen würde. Aber ich würde gern einen Beitrag dazu leisten, dass auch meine europäischen Astronauten-Kollegen dabei sind, wenn es vielleicht einmal zurück zum Mond geht. Darin sehe ich jetzt meine Aufgabe.

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