Tatort am Sonntag Tatort-Vorschau: Irgendwas mit Russen

Köln · Im Hamburger „Tatort – Macht der Familie“ wirkt die Polizei im Kampf mit dunklen Mächten heillos überfordert.

 Der Einsatz läuft aus dem Ruder: Falke (Wotan Wilke Möhring) mit Katia (Anja Taschenberg)

Der Einsatz läuft aus dem Ruder: Falke (Wotan Wilke Möhring) mit Katia (Anja Taschenberg)

Foto: dpa/Meyerbroeker

Julia Grosz (Franziska Weisz) erhält den dritten Stern fürs Schulterpolster, aber der erste große Einsatz, den die beförderte Hauptkommissarin leitet, endet in einem Desaster: Ein Flugzeug geht auf dem Weg von Lübeck nach Zypern in Flammen auf. An Bord waren der Neffe eines russischen Waffenhändlers, ein verdeckter Ermittler und zwei Millionen Euro für ein fingiertes Geschäft mit der kriminellen Familie. Obwohl die Bilder von einer Beerdigung keinen Zweifel daran lassen, wie der Einsatz enden wird, sind die ersten Minuten im Hamburger „Tatort – Macht der Familie“ auch die spannendsten. Wie die Polizei durch unkalkulierbare Wendungen unter Druck gerät und in Sekundenschnelle über Abbruch oder riskante Fortsetzung entscheiden muss, erzählt Niki Stein (Buch und Regie) packend und dicht.

Danach wird es kompliziert, was ja nicht schlecht sein muss. Aber die etwas neblig konstruierte Geschichte um internationale Waffendeals, reiche Russen kann nur bedingt fesseln. Wobei man Stein zugute halten muss, dass er nicht die üblichen Klischees über die russische Mafia bedient. Stiernackige Kleiderschrank-Typen mit begrenztem Wortschatz treten nicht in Erscheinung. Dafür schlägt die Sache etwas übertrieben ins Gegenteil aus. In der prächtigen Villa der Familie Timofejew wird selbstverständlich Klavier gespielt und häufig russische Literatur zitiert.

Die Familienverhältnisse sind kompliziert: Der höflich-kultivierte Verbrecher-Boss Victor (Wladimir Tarasjanz) hat sich Warwara (Jeanette Spassova), die Frau seines Bruders, geangelt und nach dessen Suizid auch die beiden Kinder an Vaters statt angenommen. Der eigene, blond gelockte Sohn ist nur eine schlappe Kopie des Puschkin-Dandys Eugen Onegin. Als Nachfolger für das Familien-Unternehmen war deshalb Neffe Nicolai (Jakub Gierszal) ausersehen, der nun jedoch, siehe oben, endgültig verhindert ist.

Und dann gibt es noch Marija (Tatiana Nekrasov), Nicolais Schwester, die sich auf ziemlich eindeutige Weise von der eigenen Familie abgewendet hat. Während ihr Onkel und Ziehvater mit kriminellen Geschäften reich wurde, ist aus Marija eine unerschrockene Polizistin geworden. Das Publikum lernt sie als vermeintliche Prostituierte kennen, die ihren brutalen Zuhälter auffliegen lässt. Marija ist eine taffe, eigenständige Frau, die nun von der Polizei gegen ihren Vater in Stellung gebracht werden soll und sich jede Einmischung verbietet. Auch von Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring), mit dem sie vor Jahren mal zusammenarbeitete.

Zwei starke Frauen stehen also im Zentrum: Die von Nekrasov überzeugend gespielte Marija ist neben Julia Grosz die Identifikationsfigur, die dem Film trotz gewagter Konstruktion den nötigen Halt gibt. Seltsam genug, dass Marija offenbar erst nach Jahren um Mithilfe in den Ermittlungen gegen ihren Vater gebeten wird. Nun scheint nicht ihr schwieriges Verhältnis zur Familie das Problem zu sein, sondern die Frage, ob da zwischen ihr und Falke noch irgendwas läuft. Gegen Falkes Willen halten Grosz und ihre Chefin, Kriminaldirektorin Reetz (Judith Rosmair), an der stümperhaften Überwachung Marijas fest.

Das Polizei-interne Katz-und-Maus-Spiel ist nicht unbedingt logisch und hat wohl vor allem den dramaturgischen Zweck, das in den bisher acht gemeinsamen Folgen gewachsene Vertrauen im Hamburger „Tatort“-Team auf die Probe zu stellen. Die möglichen Geschlechterkämpfe fallen erfreulicherweise aus. Der bisher meist tonangebende Falke gibt nicht die beleidigte Leberwurst, nur weil seine Kollegin befördert wurde und sogar das Kommando hat. Zuhause bewahrt er auch als alleinerziehender Vater Haltung, obwohl ihn Sohn Torben (Levin Liam) schmerzhaft zurückweist. Grosz wiederum ist trotz großer Anspannung keine überforderte Einsatzleiterin, und Reetz ist eine fordernde, aber solidarische Chefin. Trotz einiger Konflikte bricht hier nichts auseinander.

Dennoch wirkt die Bundespolizei heillos überfordert angesichts der weitaus mächtigeren Kräfte im großen Spiel der internationalen Politik. Die dunklen Mächte werden nicht benannt und treten nicht in Erscheinung, jedenfalls nicht bis zum Finale, das aber auch keine letzte Klarheit bringt. Irgendwas mit Russen halt.

Tatort: Macht der Familie, Sonntag, ARD, 20.15 Uhr

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