Super-Tanker in Seeräuberhand

Die Kaperung des Öltankers im Indischen Ozean sprengt bisherige Dimensionen.

Mogadischu. "Sie haben die schönsten Frauen, die schnellsten Autos und die besten Waffen." Wenn Küstenbewohner in Puntland im Norden Somalias von den Piraten sprechen, klingt Bewunderung mit. Die modernen Seeräuber, die allein in diesem Jahr mehr als 60 mal vor der Küste Somalias zuschlugen, gelten dank der Millioneneinnahmen aus dem erpressten Lösegeld als wirtschaftlich erfolgreiche "Macher-Typen". Im bitterarmen, von Gewalt, Anarchie und Bürgerkrieg geprägten Somalia gilt die moderne Seeräuberei durchaus als gesellschaftsfähig.

Mit ihrem Überfall auf den mit zwei Millionen Barrel (318 Millionen Liter) Rohöl beladenen saudischen Super-Tanker "Sirius Star" haben die Piraten am Wochenende jedoch die bisherigen Dimensionen der modernen Seeräuberei am Horn von Afrika gesprengt. Noch nie zuvor hatten die somalischen Piraten ein solch großes Schiff in ihre Gewalt gebracht: Der erst im März fertiggestellte Tanker ist 330 Meter lang und erreicht damit die Dimension von US-Flugzeugträgern.

Auch haben sie mit dem Überfall angesichts der zahlreichen Kriegsschiffe, die vor der somalischen Küste für mehr Sicherheit für die Schifffahrt sorgen sollen, neue operative Wege eingeschlagen. Sie kaperten die "Sirius Star" am Samstag unweit der kenianisch-tansanischen Grenze, fern der als extrem gefährlich geltenden somalischen Küstengewässer, in denen mittlerweile Kriegsschiffe mehrerer Länder die Schifffahrtswege sichern.

Von so viel Dreistigkeit zeigte sich auch Admiral Mike Mullen von der US-Marine beeindruckt. "Sie sind sehr professionell", sagte er, und klang dabei widerwillig bewundernd. Ausgezeichnet bewaffnet, exzellent vorbereitet und strategisch erfolgreich hätten die Piraten den Tanker gekapert, dessen Ladung allein knapp 80 Millionen Euro wert ist.

Die Lösegeldforderung dürfte entsprechend hoch ausfallen. Ein militärischer Befreiungsschlag gilt mit Blick auf die Sicherheit der 25 Mann Besatzung an Bord des Schiffes als riskant. So übten die Kriegsschiffe denn auch gestern Zurückhaltung, als die Piraten mit ihrer fetten Beute Kurs auf die somalische Küste nahmen.

Das Ziel der Seeräuber dürfte die Hafenstadt Eyl in der halbautonomen Region Puntland sein, die als Hochburg der Piraten gilt. Gestern gingen sie mit dem Tanker allerdings erst einmal vor der Küste Somalias, südlich von Puntland, vor Anker.

Allein ein Drittel der Piratenüberfälle weltweit geht nach Angaben des Internationalen Seefahrtbüros auf das Konto der Seeräuber am Horn von Afrika. Somalia, von Clanstreitigkeiten und Bürgerkrieg zerrissen und seit 1991 ohne funktionierende Regierung, hat keine eigene Küstenwache. Die Schiffe der US-Marine und Frankreichs, Nato-Schiffe und demnächst auch mehrere Kriegsschiffe der EU konnten die Zahl der Überfälle in den vergangenen Wochen zwar senken, aber nicht vollständig stoppen.

Selbst Mitglieder der puntländischen Regierung geben zu, dass Korruption ein Problem ist und die Seeräuber ihre Helfer auch unter den Beamten des bitterarmen Landes finden.

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