Rechtsextremer Hintergrund Stephan E. gesteht Mord an Walter Lübcke

Kassel · Der Tatverdächtige im Fall Lübcke hat ein Geständnis abgelegt. Innenpolitiker fragen sich, ob er womöglich Komplizen schützen will.

 Der Mord an Lübcke beschäftigt die Abgeordneten in Berlin und Wiesbaden.

Der Mord an Lübcke beschäftigt die Abgeordneten in Berlin und Wiesbaden.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Geständnis im Mordfall Lübcke: Der inhaftierte Stephan E. hat bestätigt, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke getötet zu haben. Der Tatverdächtige habe am Dienstagnachmittag ausgesagt, er habe die Tat alleine vorbereitet und durchgeführt, berichtete Generalbundesanwalt Peter Frank am Mittwoch nach einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages. Doch erst die weiteren Ermittlungen könnten zeigen, ob es mögliche „Helfer“ oder „Mittäter“ gegeben habe.

Nach Angaben weiterer Teilnehmer gab Generalbundesanwalt Frank zwar keine expliziten Informationen zum Motiv. Er habe aber erklärt, dass die Zuständigkeit seiner Ermittlungsbehörde durch die Einlassungen des Tatverdächtigen nicht entfallen sei. Damit sei klar, dass es sich um ein politisches Motiv handele, denn nur in diesen Fällen ist ein Verbrechen ein Fall für die Bundesanwaltschaft.

Der 45-jährige Stephan E. ist mehrfach vorbestraft und war in früheren Jahren durch Kontakte in die rechtsextreme Szene aufgefallen. In den letzten Jahren hatte ihn der Verfassungsschutz nicht mehr auf dem Radar gehabt.

Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni mit einer Schussverletzung im Kopf auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen bei Kassel entdeckt worden. Er starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Lübcke war wegen seiner Haltung zu Flüchtlingen bedroht worden. Er hatte sich 2015 auf einer Informationsveranstaltung gegen Schmährufe gewehrt und gesagt, wer gewisse Werte des Zusammenlebens nicht teile, könne Deutschland verlassen.

Der Chef des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, sagte laut Teilnehmern der Sitzung, er gehe nicht von einer Verschärfung der Sicherheitslage aus. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, sagte demnach, die Behörden hätten Stephan E. seit 2009 nicht mehr intensiv auf dem Schirm gehabt. Das Bundesamt müsse sich für die Bekämpfung des Rechtsextremismus stärker aufstellen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sprach von einem schnellen Ermittlungserfolg. Er betonte aber: „Damit ist die Aufklärung dieses politischen Mordes noch nicht abgeschlossen.“ Es gehe auch darum, mögliche Mittäter oder Mitwisser zu identifizieren. Der Innenminister rief die Bürger auf, sich klar von Rechtsextremen zu distanzieren. Dort müsse es eine „rote Linie“ geben. Antisemitismus und Ausländerhass seien nicht zu tolerieren. Er schloss weitere Verbote rechtsextremistischer Gruppierungen nicht aus.

Mit diesem Mord sei „ein ganz anderes Stadium des Rechtsextremismus erreicht worden“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU). Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte, der Mordfall zeige, wie weit sich „der braune Terror“ ausgebreitet habe. Das Attentat müsse „ein Wendepunkt werden“. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz forderte, rechtsterroristische Strukturen stärker zu durchleuchten. Die Behörden müssten Menschen, die sich bedroht fühlten - etwa weil sie sich als Ehrenamtliche oder Politiker für Flüchtlinge einsetzen - eine Einschätzung über ihre konkrete Gefährdung liefern.

Irene Mihalic (Grüne) forderte die Prüfung möglicher Verbindungen von Stephan E. zu den Terroristen des NSU. Sie sagte, die Geschichte dieser Terrorgruppe müsse vielleicht sogar neu geschrieben werden.

Der Innenausschuss will nach Angaben der Vorsitzenden Andrea Lindholz (CSU) voraussichtlich im August eine weitere Sondersitzung zu dem Fall abhalten.

Das sagen NRW-Politiker

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat eine konsequente Verfolgung von rechtsextremen Drohungen und Hetze gegen Kommunalpolitiker, Ehrenamtler und Flüchtlingshelfer gefordert. Mehrere Bürgermeister und kommunale Parteipolitiker hätten bereits wegen andauernder Bedrohungen aufgegeben, sagte Laschet am Mittwoch in einer Landtagsdebatte zu Rechtsextremismus und -terrorismus. „Wenn das passiert, dass jemand resigniert und das Amt aufgibt, hat die Gewalt schon gesiegt.“

Die Grünen-Abgeordnete Verena Schäffer sagte, der Mord an Lübcke diene dazu, Menschen, die eine klare Haltung hätten, einzuschüchtern. „Die Tat ist die Botschaft“, sagte Schäffer. Sie solle Angst bei demokratischen Politikern erzeugen. Man könne auch nicht von Einzelfällen sprechen. Mehr als 200 rechtsmotivierte politische Straftaten seien allein im Jahr 2018 in NRW gezählt worden. Es gebe ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus im Land.

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte: „Wir müssen die Stützen der Gesellschaft besonders schützen, auch vor Worten. Denn Worte sind auch Taten.“

(dpa)
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