Stadtarchiv: OB Schramma zieht bittere Bilanz

Der OB der Domstadt sieht sich als Opfer einer Hetzjagd. Dabei wirkte er oft überfordert.

Köln. "Diese Art, mit dem Unglück umzugehen, diese Art und Weise, es im Wahlkampf zu verwerten, schadet unseren Bürgerinnen und Bürgern, sie schadet der Stadt." Zwar wollte Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) von persönlicher Resignation nichts wissen, als er am Sonntag seine erneute Kandidatur für das Amt des Stadtchefs zurückzog.

Statt das Unglück bei U-Bahn-Bauarbeiten aus dem politischen Gezänk herauszuhalten, werde "weiter spekuliert, verdächtigt, verunglimpft, vorverurteilt", klagte Schramma. Seit Wochen hatte sich der CDU-Politiker heftige Kritik an seinem Verhalten nach dem Einsturzunglück vom 3. März anhören müssen, und seit einigen Tagen ermittelt auch noch die Staatsanwaltschaft gegen den Noch-Oberbürgermeister der größten Stadt NRWs.

Schramma soll Sitzungen des Koordinierungsstabs zu dem Unglück mit zwei Toten auf Tonband mitgeschnitten haben, ohne dies den Teilnehmern vorher mitzuteilen. Damit könnte Schramma gegen den Paragrafen 201 des Strafgesetzbuches verstoßen haben, der die "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" unter Strafe stellt.

Der ganze Vorgang ist zwar nicht mehr als ein bizarrer Nebenaspekt bei der Aufarbeitung des Unglücks während der U-Bahn-Bauarbeiten in Kölns Südstadt. Aber der von der Lokalpresse bereits "Schramma-Gate" getaufte Vorfall belegte einmal mehr das heillose Chaos, das die Verantwortlichen in der Millionenstadt bei der Aufklärung des Hauseinsturzes anrichten.

Mitten drin stand Schramma, offenkundig alleingelassen von hohen Beamten seines eigenen Hauses, genauso augenscheinlich aber auch überfordert. Tagelang sicherte der gelernte Latein- und Philosophielehrer, der seit 2000 an der Spitze Kölns steht, den Bürgern nach dem Unglück rückhaltlose Aufklärung zu. Dann wurde bekannt, dass in seiner eigenen Verwaltung Dokumente mit neuen Erkenntnissen zum Unfallhergang versickert waren - jedenfalls erreichten sie Schramma als Chef der Stadtverwaltung erst mit einwöchiger Verspätung.

Kopfschüttelnd hatten viele Kölner bereits am Tag nach dem Hauseinsturz die Äußerungen ihres Oberbürgermeisters über den U-Bahn-Bau zur Kenntnis genommen. Erst nannte der aus seinem österreichischen Urlaubsort nach Köln heimgeeilte Schramma den Bau von U-Bahnen in Innenstädten "fast unverantwortlich".

Binnen Stunden ruderte der gebürtige Kölner dann zurück, um tags darauf eine "Atempause" beim Bau der Kölner Nord-Süd-Stadtbahn zu fordern. Zwar zog niemand die persönliche Betroffenheit in Zweifel, die der Ex-Studiendirektor bei seinem Besuch an der Unglücksstelle und späteren Gesprächen mit Opfern empfand.

An seinem Krisenmanagement wurde jedoch schnell Kritik laut: Die SPD im Kölner Rat sah die Domstadt unter Schramma auf dem Weg in eine "rheinische Bananenrepublik", die Grünen warfen dem OB vor, er verhalte sich wie der "Vorsitzende einer Bürgerinitiative".

Ohnehin hätte sich Schramma bei der OB-Wahl Ende August harter Konkurrenz stellen müssen: Der verheiratete Vater einer erwachsenen Tochter, der seinen Sohn im März 2001 bei einem Verkehrsunfall in der Kölner City verlor, wäre bei der Wahl auf den früheren Kölner Polizei- und späteren Regierungspräsidenten Jürgen Roters getroffen, den SPD und Grüne ins Rennen geschickt haben.

Roters ist im Gegensatz zu Schramma ein ausgewiesener Verwaltungsfachmann. Zudem konnte Schramma von Anfang an nicht auf FDP-Wähler bauen, da die Liberalen einen eigenen Kandidaten aufstellen wollen.

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