Sprachkurse: Die Integration ist weiblich

14 Frauen aus zehn Ländern – im Integrationskurs trifft sich vor allem das weibliche Geschlecht. Viele Teilnehmer lernen Deutsch, um sich im Alltag besser ausdrücken zu können. Zwischen Genitiv und Landeskunde ist auch Platz für Träume.

<strong>Düsseldorf. Ludmila holt tief Luft. Seit drei Stunden sitzt sie im Ostpreußensaal, im vierten Stock in der Bismarckstraße im Düsseldorfer Zentrum. Draußen scheint die Sonne, von vorbeifahrenden Autos ist nur ein leises Summen zu hören. In der Mitte des Raumes steht Natascha Meyer-Renck, Leiterin des Integrationskurses, und erklärt den Unterschied zwischen lokalen und temporalen Präpositionen. "Ich lege den Stift in das Buch", sagt sie, und: "Ich fahre in zwei Tagen nach Hause." Ludmila bläst die Luft aus. Es ist kurz vor zwölf. Zeit für eine Zigarettenpause.

"Eines Tages will ich Goethe im Original lesen"

Seit Sommer 2006 besucht die 45-Jährige den Integrationskurs der VHS. 600 Stunden sind vorgesehen, rund drei Viertel hat sie hinter sich, genau wie ihre Kollegen. 14 Frauen und drei Männer kommen montags bis donnerstags zusammen, immer von neun bis eins. "Ich habe einen Traum", sagt Ludmila. "Ich will eines Tages Goethe im Original lesen." Das ist nicht unbedingt Klassenziel. Zwar stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in seiner Jahresbilanz 2005 erfreut fest, dass 63 Prozent der Teilnehmer weiblich sind. Die Freude hat aber einen einfachen Grund: Die Nürnberger wollen die Mütter erreichen. Die sollen nicht unbedingt klassische Literatur lesen, sondern lernen, wie man sich im Alltag zurecht findet: Einkaufen, Behördengänge, Freizeitgestaltung, Wohnungssuche. "Mütter tragen erheblich zum Integrationsprozess ihrer Kinder bei, wenn sie sich selbst auf Deutsch verständigen können", heißt es in Nürnberg.

Mit Ludmila hat das weniger zu tun. Sie hat zwar drei Kinder, aber keines davon lebt bei ihr. Sie spricht schon Russisch, Tschechisch, Italienisch und Englisch. Deutsch wollte sie sich eigentlich selbst beibringen. "Aber das hab ich nicht geschafft. Ich brauch’ den Unterricht."

Ehrgeiz ist für die Frauen kein Fremdwort. Für Moylin zum Beispiel, aus Trinidad und Tobago, ist der Integrationskurs nur der Anfang. "Danach mache ich den nächsten Kurs", sagt die 43-Jährige. "Ich finde, wenn man als Ausländer in ein Land kommt, dann muss man die Sprache beherrschen."

Auch Anna hat große Ziele: Die 21-jährige Russin hat schon sechs Jahre Schul-Deutsch und ein Studium hinter sich. Jetzt will sie ihre Sprachkenntnisse auffrischen, um in Deutschland noch Germanistik zu studieren. "In Russland gibt es ein Sprichwort", sagt sie. "Wenn du mit einem Wolf lebst, dann musst du lernen, wie der Wolf zu sprechen."

Die Kurse: Integrationskurse gibt es seit 2005, seit die Bundesregierung entschieden hatte, in Deutschland lebenden Ausländern die Integration zu erleichtern, indem sie Sprachkurse auflegte.

Frauen: Dass vor allem Frauen ihren VHS-Kurs besuchen, erklärt Natascha Meyer-Renck mit der Uhrzeit. "Es ist ein Vormittagskurs, da sind viele Frauen da, die nicht berufstätig sind. Abends ist der Anteil von Männern schon größer." Dennoch seien Frauen in der Mehrzahl.

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