Hindernislauf Spaß an der Schinderei - „Deutschlands härtester Marathon“

Wächtersbach (dpa) - Die Strapazen sind Benjamin Rabe ins Gesicht geschrieben. Er muss sich mit kleinen Holzstöcken in den Händen an einem Gerüst entlang hangeln, um das tückische Hindernis zu bewältigen.

Hindernislauf: Spaß an der Schinderei - „Deutschlands härtester Marathon“
Foto: dpa

Als er am Ende angelangt ist, schnauft der Mann mit dem nackten, muskulösen Oberkörper tief durch.

Hindernislauf: Spaß an der Schinderei - „Deutschlands härtester Marathon“
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„Mensch, da platzt einem fast der Bizeps. Da ist enorme Griffkraft gefragt“, sagt 34-jährige Fitness-Fan und blickt auf seine Handflächen, auf den sich Blasen gebildet haben. Doch der Dachdecker aus Radevormwald (NRW) hat Spaß an der Schinderei: „Ich gehe gern an meine körperlichen Grenzen.“

So wie Rabe sehen es etliche Freizeitsportler, die sich am Samstag im hessischen Wächtersbach auf einen spektakulären Hindernislauf wagen. Der Veranstalter vermeldete für die Auflage nahe Frankfurt einen Teilnehmerrekord. 4000 Starter meldeten sich zu Rundkursen von 7, 13, 19 und diesmal sogar erstmals auch 42 Kilometer an. Der Veranstalter taufte den sogenannten „Iron Viking“ als den „härtesten Marathon Deutschlands“. Während für viele Läufer bereits die Marathon-Distanz eine große Herausforderung ist, mussten die Starter beim „Iron Viking“ noch mehr als 100 Hindernisse bewältigen.

Bei dem Hindernislauf ist neben Kondition auch Kraft und Geschick gefragt. „Um das durchzustehen, braucht man einen harten Kopf und eisernen Willen“, sagt Ludmilla Hertle (32), die extra aus der Nähe von Heilbronn (Baden-Württemberg) angereist ist, um die 19-Kilometer-Distanz zurückzulegen. Ebenfalls aus dem Ländle ist Caro Zendler gekommen. Die 27-jährige Medizinstudentin liebt auch die Herausforderung und sagt: „Die Vielseitigkeit, die einem hier abverlangt wird, ist das Schöne. Dadurch trainiert man auch den gesamten Körper. Mal muss man hangeln, klettern oder auch springen.“ Beim Seilehochklettern, Baumstammziehen und Holzhammerwerfen können sich die Starter bis zur Erschöpfung verausgaben.

Es ist aber auch Mut gefragt. Etwa wenn die Starter eine bewässerte Plane von einem etwa zehn Meter hohen Gerüst hinabrutschen, meterweit fliegen und in einem eiskalten Wassergraben landen. Da ist das obligatorische Durch-den-Schlamm-robben fast schon eine erholsame Aufgabe. Den Startern ist neben viel Anstrengung aber auch der Spaß deutlich ins Gesicht geschrieben.

Johanna Belz, Psychologin und Sportwissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule in Köln, beobachtet eine wachsende Bedeutung solcher Events, die mitunter Volksfest-Charakter entwickeln. „Hindernisläufe werden immer populärer. Es ist derzeit ein richtiger Boom zu beobachten. Normale Volksläufe sind für viele nicht spannend genug.“

Jan Ruch, der Organisator der Veranstaltung in Wächtersbach, sagt: „Die Hindernisläufe sprechen insbesondere Sportler an, denen herkömmliche Läufe zu monoton sind.“ Auch viele ehemalige Triathleten fänden den Weg zu den Hindernisläufen, die in Fachkreisen „obstacle course races“ heißen. Seit fünf Jahren sieht Veranstaltungsmanager Ruch eine steigende Nachfrage. Allein der Veranstalter Strong Viking zählte in diesem Jahr bereits 100 000 Teilnehmer bei 14 Events in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Dänemark. Im Vorjahr waren es noch 38 000 Teilnehmer bei neun Editionen.

„Grund für den Hype ist der Spaß an den Hindernissen, die Teamarbeit, die benötigt wird, um einige davon zu überwinden, sowie die Tatsache, dass nicht die Leistung im Vordergrund steht und eher das Gefühl herrscht, über einen Spielplatz für Erwachsene zu laufen“, sagt Ruch.

Inszeniert werden die Hindernisläufe als großes Sport-und-Spaß-Event, das die Teilnehmer als Gruppe von Gleichgesinnten zusammenschweißt. Am Start wird den Läufern mit wummernder Techno-Musik eingeheizt. Ein Einpeitscher am Mikro feuert die Starter mit eindringlichem Geschrei an. Sie sollen sich wie starke und mutige Wikinger fühlen - und niemals aufgeben. Beim „härtesten Marathon Deutschlands“ liegt die Abbrecher-Quote dennoch bei 40 Prozent. Sechs von zehn kommen an.

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