Unruhe und Lebensangst Sozialverband: Ältere fürchten Wohnungsverlust wegen Energiekosten

Düsseldorf · Das Jahr 2022 zeichnet sich durch viele große Krisen aus. Besorgt sind die meisten, aber vor allem bei älteren und weniger wohlhabenden Menschen lösen die Belastungen regelrechte Lebensangst aus, warnt der VdK.

 Der Sozialverband VdK berichtet von einer wachsenden Verängstigung vor allem älterer Menschen infolge der Energie- und Ukraine-Krise, Inflation und Corona.

Der Sozialverband VdK berichtet von einer wachsenden Verängstigung vor allem älterer Menschen infolge der Energie- und Ukraine-Krise, Inflation und Corona.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Der Sozialverband VdK berichtet von einer wachsenden Verängstigung vor allem älterer Menschen infolge der Energie- und Ukraine-Krise, Inflation und Corona. Bei vielen Anrufern sei „ein hoher Grad von Unruhe und Lebensangst vorhanden“, sagte der Vorsitzende des VdK Nordrhein-Westfalen, Horst Vöge, am Dienstag in Düsseldorf. Etliche sorgten sich: „Müssen wir alle in Wärme-Hallen, weil wir unsere Wohnung nicht mehr heizen können? Müssen wir aus unserer Wohnung raus, weil wir die Heizkosten nicht mehr zahlen können?“

Die Angst vor dem Verlust der eigenen Wohnung sei gerade für Ältere und für Menschen, die ihr geringes Einkommen nicht steigern könnten, ähnlich belastend wie der Verlust eines Partners oder des Arbeitsplatzes, erklärte der Leiter der sozialpolitischen Abteilung des Landesverbands, Carsten Ohm.

Der VdK fordert ein Moratorium, dass keinem Mieter gekündigt werden darf, wenn er die infolge der Energie-Krise drastisch steigenden Kosten für Strom und Heizung nicht mehr zahlen kann. Auch Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte sich am Wochenende für ein Moratorium für Gas- und Stromsperren bei Zahlungsverzug stark gemacht.

Der VdK fordert darüber hinaus, die steigenden Energiekosten auch in die Berechnungen des Regelbedarfs bei Grundsicherung, BAföG oder Wohngeld einzupreisen. Zusätzlich sollte die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel gesenkt werden, sagte Ohm.

Der Verband stellte zudem die NRW-Auswertung einer für den VdK erstellten Studie der Hochschule Osnabrück über „Pflege zu Hause“ vor. Mehr als ein Drittel der Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen, fühlen sich demnach extrem belastet und können die Situation nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht mehr bewältigen. An der Studie haben nach Angaben des VdK bundesweit mehr als 56 000 Personen teilgenommen, darunter mehr als 12 000 allein in NRW.

Bundesweit fehle es an Plätzen für die Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege, wobei letztere in NRW besonders mangelhaft ausgestattet sei, berichtete VdK-Referent Martin Franke. Hinzu komme, dass vorhandene Angebote teilweise aus Angst vor weiteren Kosten nicht in Anspruch genommen würden. „Außerdem scheitern hierzulande 10 bis 20 Prozent der Angehörigen an der Komplexität und Dauer der Antragsverfahren.“

Obwohl die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW in diesem Jahr die Eine-Million-Marke überschreiten dürfte und über 80 Prozent von Angehörigen gepflegt würden, seien deren Interessen „die größte Leerstelle“ im schwarz-grünen Koalitionsvertrag, kritisierte Vöge. Sie benötigten viel mehr Beratung und Unterstützung.

Mit seiner Kampagne „Nächstenpflege“ will der VdK auf diese Problematik aufmerksam machen und informieren. Bundesweit ist sie bereits im Mai angelaufen, in NRW soll der Startschuss nach den Sommerferien mit vielen regionalen Veranstaltungen fallen.

Im Koalitionsvertrag sieht der VdK auch an anderen Stellen Lücken und fordert unter anderem, nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch Pflegeheime technisch für den Klimawandel zu rüsten. Zudem sei die Barrierefreiheit an Bahnhöfen kaum vorangekommen, und auch im Wohnbereich gebe es viel Nachholbedarf. So müsse endlich ein Gutachten erstellt werden, wie hoch in NRW eigentlich der Bedarf an rollstuhlgerechten Wohnungen sei, bekräftigte Vöge.

Die im Koalitionsvertrag angekündigte Armutskonferenz solle zügig kommen und alle betroffenen Gruppen repräsentieren, um schnell eine Grundlage für die erforderlichen Maßnahmen zu haben. Nötig sei außerdem eine zentrale Ansprechstelle für das in der Pandemie bei Jung und Alt gewachsene Problem Einsamkeit.

Der VdK ist nach eigenen Angaben mit mehr als 2,1 Millionen Mitgliedern der größte Sozialverband Deutschlands. In NRW hat er demnach mit aktuell 390 000 Mitgliedern einen historischen Höchststand erreicht. 2021 hat die Rechtsberatung des Landesverbands laut Jahresbilanz 16,3 Millionen Euro an Nachzahlungen für seine Mitglieder erstritten, hauptsächlich in den Bereichen Schwerbehinderung und Nachteilsausgleich.

(dpa)
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