Sebastian Deisler: Die Geschichte eines Unvollendeten

Mit 27 Jahren beendete Sebastian Deisler seine Fußballkarriere. Mit 29 veröffentlicht er seine Autobiografie.

Düsseldorf. Ein kurzer Abschiedsgruß, der Blick geht Richtung Ausgang. Noch rasch schiebt er den Stuhl an den Tisch, dann geht er. Nur raus, nur weg. Sebastian Deisler ist gerade 27 Jahre alt und hat sich selbst in den Ruhestand geschickt.

Als er an diesem unwirtlichen Januartag 2007 aus der Geschäftsstelle des FC Bayern tritt, ist er ein Ex-Fußballer. Und frei. Ein halbes Jahr später gibt er dem "Tagesspiegel" noch ein Interview. Danach zieht Deisler eine Mauer um sein Leben, mit extra viel Beton, undurchlässig und unüberwindbar. Wer es wage, ihn zu behelligen oder zu fotografieren, bekomme Post von seinem Anwalt, heißt es.

In einigen Wochen wird sich Deisler, der 29-jährige Privatmann, wieder der Öffentlichkeit stellen. Am 29. September erscheint im Duisburger Edel-Verlag seine Autobiografie, 256 Seiten. Er hat sie gemeinsam mit dem Journalisten Michael Rosentritt verfasst und sie "Zurück ins Leben. Die unvollendete Geschichte eines Fußballspielers" genannt.

Kein Titel hätte besser gepasst zu dem stillen Genie voller Selbstzweifel, das nichts mehr wollte, als Fußball spielen - und seine Ruhe haben. Das Leben als "Basti Fantasti", als Pop-Sternchen zermürbte ihn. Verletzungen, Depressionen folgten. "Am Ende war ich leer, alt, müde. Ich bin so weit gelaufen, wie mich meine Beine getragen haben", sagt er 2007. "Ich habe Krieg geführt gegen mich, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe."

Er wird wissen, dass er sich mit der Ankündigung, ein Buch zu schreiben, wieder auf die öffentliche Bühne stellt, die er vor zweieinhalb Jahren verlassen hat. Doch diesmal wählt und dosiert Deisler Zeit und Art dieser Aufmerksamkeit selbst.

In seiner Autobiografie will er einen Einblick geben in sein Seelenleben, das Auf und Ab aus Jubel und Niederschlägen. Deisler will erzählen über "seine Begeisterung und Liebe zum Fußball, aber auch über Ängste, Selbstzweifel, Depressionen und sein Scheitern", heißt es im Klappentext. Alles recht vage, aber wer soll das Buch auch kaufen, wenn er schon alles weiß?

Bekannt ist dies: Mit 15 wechselt Deisler aus Lörrach an der Schweizer Grenze zu Borussia Mönchengladbach. Mit 18 debütiert er in der Bundesliga. In einer unsäglichen Borussen-Saison, die mit dem Abstieg endet, ist Deisler einer der wenigen Lichtblicke. Er macht auf sich aufmerksam, wird mit Günter Netzer verglichen.

Borussia steigt ab, Deisler wechselt zu Hertha BSC. "Ich ging ab wie eine Rakete", sagt er. "Heute weiß ich, dass das alles viel zu viel war." Deisler ist 19 und gilt schon als Heilsbringer des deutschen Fußballs. Er wird zum Teenie-Idol. Ein Jahr später wird er Nationalspieler.

Deisler wird nicht von der Kritik erschlagen, sondern von der Zuneigung. Er ist überfordert, immer wieder verletzt. "Ich war oben angekommen, vor der Tür stand ein Mercedes. Aber das alles hat mich nicht glücklich gemacht", gesteht er.

Als bekannt wird, dass er 2002 zu Bayern München wechseln wird und dafür ein Handgeld von 20 Millionen Mark bekommen haben soll, wird er in Berlin zum Buhmann. Wegen einer Knieverletzung verpasst er die WM 2002. Deisler zieht sich zurück. Der Abgang wird zur Flucht.

Doch auch in München wird er nicht glücklich, verletzt sich oft. "Mein Knie war kaputt und auch mein Kopf", sagt er. Ende 2003 lässt er sich wegen Depressionen in einer Klinik behandeln. Er geht offen mit seiner Erkrankung um, holt das Thema Depression aus der Tabu-Ecke.

Er kehrt auf den Platz zurück, sogar ins Nationalteam. Doch dann rebelliert das Knie wieder, auch die WM 2006 findet ohne ihn statt. Ein halbes Jahr später zieht er die Reißleine. Fußball sei zuletzt eine Qual für ihn gewesen, sagt er.

Seine Entscheidung ist für ihn ein "Sieg, aber einer, der in seiner Tragweite bitter war". Was er danach gemacht hat? Er wohne wieder in Berlin und habe mit dem Gedanken gespielt, eine Ausbildung zum Physiotherapeuten zu machen, wird gemutmaßt. Mit seinem Buch könnte Deisler für Erhellung sorgen. Wenn er denn will.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort