Schwiegersohn für zwei Tage

Damit ledige Frauen zum chinesischen Neujahrsfest nicht als Single zur ihrer Familie fahren müssen, mieten sie sich einen Freund.

Peking. Der Druck ist enorm. Viele ledige Frauen reisen zum chinesischen Neujahrsfest an diesem Wochenende nach Hause, um dort mit einer Frage konfrontiert zu werden: Hast du endlich einen Mann und wie steht es mit der Familiengründung?

Was liegt da näher, als einfach irgendeinen Mann mitzunehmen und als den potenziellen Auserwählten vorzustellen, um Eltern und Verwandte ruhig zu stellen. Wegen der großen Nachfrage gibt es im chinesischen Internet ein Heer von „Mietfreunden“ oder Hunderte Agenturen, die solche Vertretungsdienste anbieten.

Wer die Suchworte „Für Neujahr einen Freund mieten“ im populären Taobao-Portal eingibt, bekommt mehr als 370 000 Treffer. „Letztes Jahr habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, aber ich wollte keinen Fremden anheuern“, erzählt eine 32 Jahre alte Managerin eines Staatsbetriebes. Am Ende habe sie einen schwulen Freund überredet mitzukommen.

„Ich habe meine Eltern betrogen und ihnen vorgemacht, dass ich mit jemandem ausgehe“, sagt sie. „Meine Eltern hatten keine Ahnung und waren ziemlich glücklich und erleichtert.“

Dass moderne Chinesinnen einen Begleiter für Familienfeste anmieten, ist keineswegs neu, aber der Trend nimmt zu. Ein junger Mann mit dem Namen „Haoquan“ gibt auf der Taobao-Plattform vor, in den letzten sechs Wochen schon 17 mal gemietet worden zu sein.

Er schläft nicht im selben Bett, aber bietet ansonsten alles an, was ein perfekter Schwiegersohn so drauf haben muss — einschließlich Friedhofbesuchen. Seine Kunden loben ihn in ihren Kommentaren als „ehrlich“ und „verlässlich“. „Er hat meine Probleme gelöst“, schrieb eine Frau. „Jetzt habe ich erst mal Ruhe.“

Traditionell verlieren Eltern in China das Gesicht, wenn ihre Kinder im heiratsfähigen Alter keinen Partner finden. Oft kümmern sie sich selber um die Suche nach einem geeigneten Mann. Von Töchtern wird erwartet, die nächste Generation sicherzustellen — selbst wenn sie eine gute Ausbildung haben und Karriere machen. Der Druck wächst, je älter die Frauen werden. „Mein Vater will mich nicht mehr sehen, weil er sich wegen mir so schämt“, berichtet eine Angestellte einer Informationstechnologie-Firma.

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